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Pressemitteilung

Dringender Aufruf zur Neugestaltung von Creative Europe

Pressemitteilung vom 19.05.21: Europäische kreative Dokumentarfilme - das Stiefkind des neuen MEDIA-Programms der EU

vom 19.05.2021

Die AG DOK hat diesen Aufruf vom 19.05.2021 an das Europäische Parlament zusammen mit 39 anderen europäischen Dokumentarfilme-Verbänden gezeichnet:

 

Europäische kreative Dokumentarfilme - das Stiefkind des neuen MEDIA-Programms der EU

Wir, europäische Autor*innen, Produzent*innen und Verleiher*innen, begrüßen die Verabschiedung der rechtlichen Grundlage des Programms "Creative Europe" durch das Europäische Parlament und die dadurch ausgedrückte Unterstützung für das kreative Schaffen in Europa. Wir freuen uns auf den baldigen Beginn der Ausschreibungen für das damit verbundene MEDIA-Programm. Allerdings enthält das von der Europäischen Kommission vorbereitete Arbeitsprogramm für 2021 Anpassungen, die besorgniserregende Auswirkungen auf die Dokumentarfilmbranche haben und deshalb dringend geändert werden müssen.

Nie war der kreative Dokumentarfilm ein wichtigeres Genre als während der wirtschaftlichen, sozialen und Gesundheitskrise, die Europa derzeit durchmacht. Dokumentarfilme informieren die Menschen und helfen uns, die komplexe Welt, in der wir leben, zu verstehen. Sie liefern kritische und vielfältige Standpunkte von und für europäische Bürger*innen, während sie gleichzeitig gegen die Bedrohung unserer Demokratien durch Fake News ankämpfen.

Der kreative Dokumentarfilm als Genre ist in Europa aufgrund struktureller Unterfinanzierung bedroht. Um ihre Inhalte zu produzieren, sind europäische Dokumentarfilmschaffende gezwungen, sehr hohe Risiken einzugehen, was ihre Abhängigkeit von und ihre Erwartungen an die europäische öffentliche Förderpolitik erklärt.

Mit großer Sorge nehmen wir den starken Rückgang der Unterstützung für den kreativen Dokumentarfilm durch die Europäischen Kommission war, der nach der Verabschiedung des mehrjährigen Finanzrahmens von 2021-2027 durch das Parlament für das neue MEDIA-Programm und der Vorstellung der Arbeitsprogramme, die die Regeln und Budgets für jedes Förderprogramm 2021 festlegen, deutlich wird.

Während das MEDIA-Budget steigt, schaufelt die Europäische Kommission in ihrem Arbeitsprogramm “Creative Europe” 2021 still und leise das Grab des kreativen Dokumentarfilms: Drei technische Änderungen, die die Programmregeln vereinfachen und vereinheitlichen sollen, werden große Auswirkungen auf den kreativen Dokumentarfilm in Europa haben.

Mit dem Ziel, so schnell wie möglich mit der Projektausschreibung zu starten, wurden diese Texte im Eiltempo verfasst. Dadurch wurde den Mitgliedstaaten und allen Beteiligten die Möglichkeit zu einer notwendigen gründlichen Bewertung der Auswirkungen, die die neuen Regeln auf den Sektor haben würden, genommen.

Es sind vor allem die folgenden drei technischen Änderungen, die unmittelbare negative Auswirkungen haben:

Entwicklungsförderung wird in Zukunft nur noch für Projekte vergeben, die frühestens zehn Monate nach der Einreichungsfrist des Förderantrags beginnen (statt bisher acht Monate ab Einreichungsdatum). Diese neue Frist ist unvereinbar mit den Produktionszeitplänen von kreativen Dokumentarfilmen, die naturgemäß kürzer sind als die von Spielfilmen und Animationsfilmen, da diese schnell auf die sich ständig ändernde Realität des Weltgeschehens reagieren müssen. Obwohl die Branche um eine Verringerung dieser Frist gebeten hat, entschied sich die Europäische Kommission für eine Verlängerung und schließt damit de facto eine große Zahl kreativer Dokumentarfilmprojekte von der MEDIA-Förderung aus.
Durch die Umwandlung der Förderung von "Einzelprojekten" (“Single Project”) in ein neues "Co-Development"-Instrument wird jedes Produktionsunternehmen gezwungen, mit einem Produktionsunternehmen aus einem anderen Land gemeinsam zu beantragen.
Seit 2014 sollte in diesem Fall das federführende Unternehmen mindestens ein Projekt in mindestens drei Ländern, außer dem eigenen, vertrieben haben (früher war es ein Land!). Diese Änderung beeinträchtigt in unfairer Weise die Möglichkeit von Produktionsunternehmen aus sogenannten “low-capacity Ländern", ein Projekt zu führen.

Das hat einen dramatischen Effekt in den sogenannten “low-capacity Ländern", den kleinen europäischen Ländern (was die Filmproduktion betrifft), und in Ländern, deren Sprache in keinem anderen europäischen Land gesprochen wird oder die nicht zu einem geographischen Gebiet gehören, in dem Kooperationen historisch üblich sind. Folglich werden die geplanten Änderungen die Grundprinzipien von Creative Europe selbst ernsthaft beschädigen: Kreativität, Parität und Pluralismus.

Bisher wurde bei der Förderung der audiovisuellen Produktion (“TV Programming”) richtigerweise zwischen den Spielfilm- und Animationsgenres, die von einem maximalen Kofinanzierungssatz von 12,5% der förderfähigen Gesamtkosten aus dem MEDIA-Fond profitieren, und dem Dokumentarfilmgenre, mit einem maximalen Kofinanzierungssatz von 20%, unterschieden.

Von nun an unterliegt diese Unterstützung bei einem einheitlichen, für alle Genres geltenden Höchstsatz von 15%. Das ist eine sehr begrüßenswerte Erhöhung für den Spielfilm und den Animationsfilm, aber bereits unterfinanzierte, kreative Dokumentarfilme sehen damit ihre mögliche Förderung durch MEDIA weiter reduziert.

Wir, die europäischen Autor*innen, Produzent*innen und Verleiher*innen, die diese Erklärung unterzeichnen, möchten unsere tiefe Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen, dass die Europäische Kommission scheinbar keine Rücksicht auf die Dokumentarfilmbranche in Europa nimmt.

Werden die Besonderheiten des Genres weiterhin ignoriert, kommt ein ganzer Sektor des unabhängigen europäischen Schaffens de facto nicht mehr für europäische Unterstützung in Frage und die ohnehin schon prekäre Finanzierungssituation verschärft sich weiter.

Die gesamte Branche wird in diesem Jahr schon durch die Verzögerungen bei den Ausschreibungen für Projekteinreichungen bestraft. Auch deshalb fordern wir die Europäische Kommission auf, diese drei Änderungen aus dem Arbeitsprogramm zu streichen und solche Maßnahmen beizubehalten, die an das Genre des Dokumentarfilms angepasst sind, um den Zugang zum Finanzierungssystem für diese Werke zu gewährleisten, die für das europäische Publikum unverzichtbar sind und bleiben werden.

 

Hier die Pressemitteilung auf Deutsch und hier auf Englisch.

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