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Medienpolitik

Millionen ohne Gegenleistung

vom 23.05.2015

AG DOK verlangt Aufklärung zum Gottschalk-Vertrag

In einem Brief an WDR-Intendant Tom Buhrow bittet die AG DOK um Offenlegung der Vorgänge in Zusammenhang mit dem Vertrag, den die WDR Media Group seinerzeit in Zusammenhang mit Thomas Gottschalks Vorabend-Show geschlossen hat. Denn nicht nur die Höhe des vereinbarten Honorars und der Produktionskosten werfen nach Ansicht des Verbands Fragen auf – es ist auch nicht erklärbar, warum der Moderator nach dem Abbruch der Show noch weitere 2,7 Millionen Euro ohne jedwede Gegenleistung erhielt. Darunter das Honorar für die Moderation zweier primetime-shows, die nie stattgefunden haben. „Wer weiß, wie bei Dokumentarfilm-Verhandlungen in den Sendern um jeden Euro gefeilscht wird, kann da nur noch wütend werden“, kommentiert AG DOK-Vorsitzender Thomas Frickel den Inhalt der bislang geheimen Vertrags-Eckpunkte, die der AG DOK zugespielt wurden und jetzt Grundlage der Anfrage an den WDR-Intendanten sind.  Die ARD hatte die Vertragsbedingungen damals wie ein Haupt- und Staatsgeheimnis behandelt und vermutlich noch nicht einmal die Aufsichtsgremien darüber informiert. Und das, wie sich jetzt zeigt, aus gutem Grund: sowohl die dort verhandelten Beträge als auch die übrigen Konditionen (zum Beispiel der Anspruch auf die komplette Vertragssumme auch dann, wenn die Sendung nicht fortgeführt wird) sind nun wahrlich kein Musterbeispiel für sparsame Wirtschaftsführung. Vielmehr konterkarieren sie auf groteske Weise die Vertragsverhandlungen, denen unsere Dokumentarfilmkollegen tagtäglich in den Sendern ausgesetzt sind, und bei denen es oft um Minutenpreise geht, die weit weniger als ein Fünftel dessen ausmachen, was der ARD seinerzeit jede Minute der glücklosen Vorabendshow mit Thomas Gottschalk wert war.
 
Die AG DOK wird die brisanten Papiere auch auf ihrer Homepage veröffentlichen. Denn: „Unser Verband tritt seit jeher für größtmögliche Transparenz im Umgang mit den Mitteln der Rundfunkabgabe ein – da ist es nicht hinzunehmen, dass solche Vereinbarungen an der Öffentlichkeit und den Aufsichtsgremien vorbei getroffen werden.“  
 
Den letzten Auslöser zum Schritt in die Öffentlichkeit gab dieser Tage die Meldung, dass Moderator Thomas Gottschalk vom Bayerischen Rundfunk eine monatliche Rente von 700 Euro für drei Jahre fest angestellter Arbeit erhält. Frickel: „Verglichen mit dem, was die meisten unserer Kolleginnen und Kollegen aus den rentenkassen zu erwarten haben, ist das nur noch zynisch.“ Die AG DOK ist der Meinung, dass eine Veröffentlichung der Vorgänge um den ARD Vertrag „vielleicht alle jene beruhigen kann, die sich darum sorgen, wie denn der arme Mann mit 700 Euro Rente über die Runden kommen soll: "Gottschalk verrät: er bekommt 700 Euro Rente". 

Bereits am  23. Februar 2012 hatte sich die AG DOK mit einem süffisanten offenen Brief an ARD-Programmchef Herres in die öffentliche Debatte um die Gottschalk-Show eingemischt und einen kostengünstigen Ersatz für den damals bereits absehbaren Ausfall der "Tagesshow" angeboten. Beantwortet wurde dieser Brief nie.



Causa Gottschalk: AG DOK legt nach

29.05.2015 - Mit der Antwort des WDR auf die Fragen zum Gottschalk-Vertrag gibt sich die AG DOK nicht zufrieden. In einem zweiten Brief an Intendant Tom Buhrow nennt der Verband den Versuch, die Verantwortung für den umstrittenen Moderatorenvertrag auf die ARD Werbetöchter abzuwälzen "vor dem Hintergrund der allgemeinen Debatte um die Rundfunkfinanzierung nicht sonderlich vertrauensbildend". Auch das Vorabendprogramm sei schließlich Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Gesamtangebots - da dürfe es keine "schwarzen Kassen" geben, die jedweder Kontrolle durch die Aufsichtsgremien entzogen sind. 

Zugleich schiebt die AG DOK ein Bündel brisanter Fragen nach, denn wie jetzt bekannt wurde, hatte das interne WDR-Controlling damals bereits begründete Zweifel am Erfolg der Vorabend-Talkshow, mit der die ARD durch den vorzeitigen Abbruch einige Millionen Euro versenkte. Trotz des zumindest nicht auszuschließenden Misserfolgs der geplanten Sendung habe man dem Moderator ein exorbitantes Ausfall-Honorar zugesichert. "Abbruchkosten" heißt das wohl im internen Sender-Jargon...

Download des zweiten Briefs an Intendant Buhrow.
FAZ-Bericht vom 2. Juni 2015


Ausführliche Presseschau:


Süddeutsche Zeitung

FAZ
Focus
Tagesspiegel
Hamburger Abendblatt
Kress
DWDL

Handelsblatt: "Treffen die Informationen der AG DOK zu, kommt die ARD um personelle Konsequenzen auf der oberen und obersten Ebene nicht mehr herum... In der Vergangenheit hat die ARD leider in diesem Sinne keinerlei Rückgrat gezeigt. ...Buhrow und die ARD können den Fall der angeblichen Millionen-Gage an Gottschalk ohne Gegenleistung auch als Chance für eine Katharsis begreifen. Denn die ARD mit ihren Dutzenden von kommerziellen Töchtern braucht dringend mehr Transparenz, um das verloren gegangene Vertrauen bei den Gebührenzahlern und in der Medienbranche wieder zurück zu gewinnen."

ZEIT
: "...während die digitalen Darstellungsformen nach finanzstarken Investoren geradezu dürsten, gibt die ARD ihr Geld immer noch in den achtziger Jahren aus... In ihrer jetzigen Verfassung ist die ARD vor sich selbst nicht mehr zu retten."

Horizont: "Der WDR steht wegen der am Pfingstwochenende bekannt gewordenen Honorarvereinbarungen mit Thomas Gottschalk massiv unter Druck. Der Filmverband Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm fordert von WDR-Intendant Tom Buhrow Aufklärung über die Millionengage für die 2012 eingestellte Sendung "Gottschalk Live"."

BZ: Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK) fordert vom WDR-Intendanten Tom Buhrow Informationen darüber, warum Gottschalk nach seiner 2012 vorzeitig eingestellten Sendung „Gottschalk Live” im ARD-Vorabendprogramm noch rund 2,7 Millionen Euro erhielt, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen."

Der Westen: "Laut Frickel sind 2,3 Millionen Euro nach Absetzung der Show erklärungsbedürftig, sowie weitere 400.000 Euro für zwei geplante Abendshows, die ebenfalls nicht zustande gekommen seien."

Spiegel
Kölner Stadt-Anzeiger
Saarbrücker Zeitung     
evangelisch.de

FAZ: "In Summe bedeutet das: Es ist (was in Teilen schon bekannt war) so, wie der Dokumentarfilmverband es angenommen hat. Es ist – weil die ARD den Umweg über ihre Werbetöchter nahm – rechtens. Es entspricht den Usancen der Branche. Es ist aber auch die Frage, ob dies dem angemessenen Handeln öffentlich-rechtlicher Sender entspricht."

Tagesspiegel: "Ruth Hieronymi, Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates, erklärte auf Anfrage, dass der Gottschalk-Vertrag den Gremien des Senders nicht vorgelegen habe. „Der Grund dafür ist, dass die Produktion nicht aus Rundfunkgebühren finanziert wurde, sondern ausschließlich aus Werbeeinnahmen. Eine Zustimmung der Gebühren war nicht einzuholen.“ … Noch im Jahr des Abbruchs von „Gottschalk Live“ wurde deswegen mit den ARD-Intendanten „eine stärkere Beteiligung der ARD-Gremien an Verträgen über werbefinanzierte Produktionen vereinbart“. Die Zustimmung der Gremien müsse eingeholt werden. So ein Trick wie der, die Gottschalk-Verträge an den Gremien vorbeizuschleusen, der würde heute nicht mehr funktionieren."

Eine gute Zusammenfassung liefert die Seite des DIMBB

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