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Journalismus

"Flüchtlinge als exotische Kulissenschieber missbraucht"

vom 20.08.2013

Interview mit AG DOK-Vorstandsmitglied Thorolf Lipp
in ZEIT ONLINE

Die Doku "Auf der Flucht" auf ZDFneo hat heftige Kritik ausgelöst.
Zu Recht, sagt der Medienethnologe Thorolf Lipp. Der Sender inszeniere ein sensibles Thema als Haudrauf-Drama.

Von Jan Freitag.

ZEIT ONLINE: In der Doku-Serie Auf der Flucht reist eine Gruppe Deutscher die Routen von Flüchtlingen nach: Eine Schauspielergattin, ein Exnazi, eine Streetworkerin und eine Sarrazin-Anhängerin. Ist der gewaltige Shitstorm, der nun auf das ZDF niedergeht, gerechtfertigt?

Thorolf Lipp: Die Resonanz auf das Format zeigt zumindest, dass es hierzulande aufgrund unserer Vergangenheit einen Nerv getroffen hat. In Australien dagegen, wo es zuvor in nahezu identischer Form gelaufen ist, gab es offenbar kaum Kritik.

ZEIT ONLINE: Den ersten Teil auf ZDFneo sahen gerade mal 60.000 Menschen, also 0,3 Prozent des Publikums. Dennoch gab es Tausende kritische Tweets und Kommentare. Am Donnerstag stellten sich die Macher von Auf der Flucht im Chat den Fragen der Zuschauer.

Thorolf Lipp: Das deutsche Publikum scheint mir besonders sensibilisiert zu sein für solche Themen; es gibt vergleichsweise umfassende Medienbildung, einen starken postkolonialen Diskurs, unzählige Initiativen, die sich mit der Asylrechtsproblematik befassen. Wenn ein so vielschichtiges Thema gebührenfinanziert mit derart eindimensionaler Haudrauf-Dramaturgie bearbeitet wird, werte ich es als positives Signal, dass die Zuschauer nicht so dumm sind, wie viele Redakteure uns glauben machen möchten. Deshalb nehmen wir als Filmverband der Dokumentaristen interessiert zur Kenntnis, dass es diesen Shitstorm gibt und weisen gern auf dokumentarische Ansätze hin, die dem öffentlich-rechtlichen Auftrag in Forum und Inhalt weit mehr genügen als das, was in bestimmten Redaktionen als massenkompatibel erachtet wird.

ZEIT ONLINE: Sind Doku-Soap und Unterhaltung also generell für seriöse Informationen ungeeignet?

Thorolf Lipp: In der Regel schon. Auf der Flucht ist jedenfalls ganz gewiss keine Aufklärungsarbeit, sondern reine Selbstinszenierung. Was sich hier dokumentarisch geriert, ist von A bis Z Fiktion. Gerade Zuschauer, die weniger medienkompetent sind, werden dadurch letztlich gezielt getäuscht.

ZEIT ONLINE: Wie hätte man das vermeiden können?

Thorolf Lipp: Auf diese Frage hat der Dokumentarfilm schon vor 50 Jahren eine Antwort im Cinema Verité gefunden: den filmischen Prozess bewusst offenlegen. Man hätte hier zum Beispiel die Kamerateams zeigen oder deutlich machen können, inwiefern Regisseure und Macher das Geschehen steuern. Für unerfahrenere Zuschauer ist dieser Einfluss nicht zwingend erkennbar. Es gibt verschiedene Untersuchungen, in denen man Versuchspersonen Scripted Reality vorgeführt hat.

ZEIT ONLINE: Also scheinbar echte Situationen, die nach Drehbuch gefilmt werden.

Thorolf Lipp: Bis zu 80 Prozent erkennen nicht, dass es sich um Inszenierungen handelt. Aber Auf der Flucht ist noch wegen ganz anderer Aspekte die falsche Herangehensweise an dieses sensible Thema. Besonders problematisch finde ich, dass die eigentlich Betroffenen, also die Flüchtlinge, bloß als exotische Kulissenschieber gebraucht, ja sogar missbraucht werden. Es geht dem ZDF gar nicht in erster Linie um die Thematik Flucht und Asyl. Die plotbasierte Dramaturgie der Heldenreise – sechs Deutsche machen sich stellvertretend für uns auf den Weg, um etwas über die Welt zu lernen – soll Quote generieren. Wir sehen hier eine durchkalkulierte Fernsehmaschinerie, bei der es letztlich keinen Raum für Überraschungen geben darf. Bei Auf der Flucht ist alles stets affirmativ.

ZEIT ONLINE: Was heißt das?

Thorolf Lipp: Alles wird so atemlos geschnitten und erzählt, dass nirgends Raum für Fragen bleibt. Wenn jemand weint, kommt ein Close-up auf die Tränen; jede Emotion wird mit den Mitteln der Dokusoap, jeder Effekt mit Musik vervielfacht. Diese Verflachung hat sich zum Leidwesen vieler ernsthaft und gründlich arbeitender Dokumentaristen so etabliert, dass sie vom Publikum inzwischen als Regelfall empfunden wird. Das mag bei Alltagsthemen noch harmlos sein, hier wird es der Widersprüchlichkeit und Komplexität des Themas nicht gerecht.

ZEIT ONLINE: Welchen Plot hätten Sie gewählt?

Thorolf Lipp: Gar keinen. Ein Plot ist die extremste Form der Irrealisierung, das Leben findet ja nie nach Drehbuch statt. Ich würde vermutlich entweder einen ins Offene gedrehten, beobachtenden Film machen, oder aber auf die Zusammenarbeit mit den Betroffenen setzen. Ich würde den Flüchtlingen selbst Macht und Stimme verleihen, statt sie zu Statisten der Konflikte deutscher Hauptdarsteller zu degradieren.

ZEIT ONLINE: Der Vorwurf vieler Kritiker lautet, das Format sei rassistisch, zynisch und menschenverachtend?

Thorolf Lipp: Es bleibt auf jeden Fall ganz weit hinter der Epistemologie zeitgenössischen Filmemachens zurück. Auf der Flucht ähnelt einer eigentlich längst vergangenen Attitüde, wo weiße Regisseure aus der westlichen Wohlstandsgesellschaft die Definitionsmacht hatten und in den Elendsquartieren der Dritten Welt die Puppen tanzen ließen.
Die Flüchtlinge selbst sind hier nur Randfiguren, und selbst die deutschen Protagonisten werden letztlich zu Objekten degradiert. Inklusive der dramaturgisch gewollten Möglichkeit, dass sie sich aufgrund ihrer oft im Affekt geäußerten, nicht selten ziemlich unreflektierten Meinungen auch zum Gespött des Publikums machen. Das bietet in der Tat alle Voraussetzungen für Rassismus, Zynismus und Menschenverachtung.

ZEIT ONLINE: Macht all dies Auf der Flucht zu schlechtem oder bloß schlecht gemachtem Dokumentarfernsehen?

Thorolf Lipp: Darüber haben wir im Verband der AG Dok intensiv diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass es zunächst mal gar keine dokumentarische Form ist, sondern hochgradig fiktional. Wir wollen keine Geschmackspolizei sein, aber doch darauf hinweisen, dass diese Herangehensweise eine Verachtung all derjenigen ist, die sich – oft unter Einsatz von hohem persönlichen Risiko – um einen wirklich dokumentarischen Zugang bemühen. Allerdings erforderte das von den Verantwortlichen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen den Mut, Risiken einzugehen und sich auf die unkalkulierbare Wirklichkeit einzulassen. Tatsächlich funktioniert das System inzwischen genau anders herum: Bei Auf der Flucht ist alles im Voraus geplant. Dramaturgisch gesehen kann nichts schief gehen, das Ergebnis steht von vornherein fest. Aufmerksamkeit wurde generiert. Aber der Erkenntnisgewinn tendiert gegen null.



Der Berliner Filmemacher und Medienanthropologe Dr. Thorolf Lipp, 1973 geboren in Bielefeld, befasst sich seit Jahren mit Fragen der Repräsentation von Menschen im Sachfilm. Lipp ist Inhaber der Arcadia Filmproduktion, Mitglied der größten deutschen Dokumentarfilmerorganisation AG DOK und des Bundesverbands Ethnologie.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von ZEIT ONLINE.
19. August 2013 
 
Stephan Weidner, Musiker und Songwriter, Teammitglied der Pseudo-Dokumentationsreihe "Auf der Flucht", setzt sich kritisch mit dem ZDF auseinander: mehr

Unter den über 700 Mitgliedern der AG DOK gibt es auch zahlreiche FilmemacherInnen, die sich dokumentarisch mit dem Thema Migration, Flucht und Vertreibung auseinandersetzen. Hier eine (unvollständige) Liste mit Filmtiteln: download

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