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Film

Gratulation zum Goldenen Bären

vom 23.02.2016

Von Doris Metz.

Wir freuen uns, dass in diesem Jahr zum ersten Mal in der 60jährigen Geschichte der Berlinale ein Dokumentarfilm den Goldenen Bären gewonnen hat. Gianfranco Rosis „Fuocoammare“ (deutsch: Feuer auf See“) setzte sich im Wettbewerb gegen alle Spielfilme durch. Der Film über die Flüchtlingsinsel Lampedusa, auf der in den letzten Jahren 450.000 Menschen aus Afrika gestrandet sind, wurde schon während des Festivals als „Film der Stunde“ und einer der Favoriten für den Bären gehandelt.

Doch Gianfranco Rosis knapp 110minütiger Film ist weder eine „Flüchtlingsdoku“ (leider scheint sich der feine Unterschied zwischen einem durchkomponierten Dokumentarfilm und einer oft schnellgestrickten „Doku“ noch nicht bei allen Filmkritikern herumgesprochen zu haben) noch ein „Film der Stunde“ mit Themen- und Aktualitätsbonus, wie Peter von Becker im Tagesspiegel schreibt. Der Dokumentarfilm „Fuocoammare“, das seien „nur zwei Stunden Film, die es in sich haben. Ästhetische Moral und politisches Bewusstsein“. Und Daniel Kothenschulte setzt in der Frankfurter Rundschau noch eins drauf: „Es sei ein Sieg des Hinschauens über das Wegschauen mit künstlerischen Mitteln.“

„Fuocoammare“ stürzt sich nicht auf das Flüchtlingsdrama, wie wir es aus Nachrichtenbildern und semi-aktuellen TV-Dokus kennen. Gianfranco Rosi (Buch, Regie, Kamera, Ton) hat ein Jahr auf Lampedusa gelebt und sich seinen dokumentarischen Zugang zur Wirklichkeit gesucht. Der Film zeigt den Alltag einiger Inselbewohner, einen Arzt, eine Fischerfamilie, einen Radiomoderator eines lokalen Senders, den 12jährigen Samuele, der mit einer Spezialbrille sein „träges Auge“ trainiert, und kontrastiert das Leben der Einheimischen mit dem Elend der anlandenden Flüchtlinge, mit Überlebenden und Toten, mit Todesangst und Agonie.

Gianfranco Rosi sind große filmische Bilder gelungen, Bilder voller Poesie und Zärtlichkeit und voller beinahe unerträglicher menschlicher Pein. Das Erstaunliche wie Berührende an dem Film liegt genau in dem Gegensatz. Der Film erzählt von einem Leben, das einfach so weitergeht wie zuvor und von dem Sterben draußen auf dem Meer. Es seien nicht zuletzt diese Bilder, die „die unerträgliche Alltäglichkeit inmitten des Alltags zeigen, über den sie hereingebrochen ist“, die das inszenierte, fiktionale Kino auf dieser Berlinale „fast ein wenig ins Hintertreffen“ geraten ließen, meint FR-Kritiker Daniel Kothenschulte. Er sieht in Rosi bereits einen Erneuerer der Tradition des italienischen Neorealismus.

Wir gratulieren dem italienischen Kollegen Gianfranco Rosi und seinem Berlinale-Gewinnerfilm „Fuocoammare“. Es ist auch filmpolitisch für das Genre Dokumentarfilm ein ermutigendes Zeichen, dass es in schwierigen politischen Zeiten mit künstlerischen Mitteln und einer klaren dokumentarfilmischen Haltung Orientierung geben kann.

Der italienische Premier Matteo Renzi hat heute verkündet, dass er beim nächsten Brüssler Gipfel im März allen EU-Staats- und Regierungschefs eine DVD des Berlinale-Gewinner-Films „Fuocoammare“ überreichen will. „Und nachdem sie ihn gesehen haben“, sagte Renzi, „wird es vielleicht möglich sein, anders über Migration zu sprechen.“ Was kann man mit einem Film mehr erreichen. Rosi hat seinen Preis den Bewohnern von Lampedusa gewidmet.                  

Foto: Richard Hübner, Berlinale 2016          

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