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ARD-Vorsitzende zu Gast bei der AG DOK

vom 23.02.2016

Gastvorträge exponierter Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Film- und Medienpolitik sind in der Mitgliederversammlung der AG Dokumentarfilm seit Jahren ein fester Programm-Bestandteil - aber nicht immer verließen die anwesenden Mitglieder diese Debatten mit einem so positiven Grundgefühl wie dieses Mal: Prof. Karola Wille, die neue ARD-Vorsitzende, hat es geschafft, zumindest die Hoffnung auf ein neues Miteinander von ARD und freier Produzentenszene zu wecken.
 
Bei der Versammlung im Plenarsaal der Berliner Akademie der Künste erläuterte die MDR-Intendantin zunächst die Schlüsselbegriffe, die sie bereits in einer Reihe von Interviews als Leitlinien ihrer Amtszeit als ARD-Chefin benannt hatte: „Glaubwürdigkeit“, "Transparenz" und die Schaffung von „Rahmenbedingungen für Innovation und Kreativität“. Diese Beschreibung korrespondiert mit den Vorstellungen der Dokumentaristen, die ihre Arbeit seit Jahren genau dort verorten: sie stehen nicht für vorgestanzte, formatierte Bilder der Welt, sondern für einen offenen und differenzierten Blick auf unsere Wirklichkeit in all ihren Ausprägungen - für eine Arbeit, die etwas braucht, was im Alltag des Fernsehgeschäfts selten und vor allem unbezahlbar geworden - und das gerade deshalb zum Qualitätsmerkmal geworden ist: für "ein Stück Langsamkeit im positiven Sinne".

Prof. Karola Wille und Helfried Spitra diskutierten mit AG DOK-Mitgliedern.

Angesichts zunehmender Polarisierung der politischen Öffentlichkeit und wachsender Gewaltbereitschaft, die sich neuerdings auch gegen Journalisten richtet, fällt den öffentlich-rechtlichen Medien nach Prof. Willes Worten eine immer größere Verantwortung zur Stabilisierung unserer Gesellschaft zu. Weil sich auch die Medienwelt im Umbruch befände, sei es von großer Bedeutung, „einen offenen Meinungsbildungsprozess anzustoßen“. Zwar attestierten in einer aktuellen Umfrage noch 68 Prozent der Befragten den öffentlich-rechtlichen Sendern Glaubwürdigkeit - aber vier Jahre zuvor lag dieser Wert noch bei 75 Prozent. Vor diesem Hintergrund, so Wille, komme es jetzt besonders darauf an, Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu erhalten. Ein entschiedener Qualitätsjournalismus ist - ebenso wie der Dokumentarfilm - dafür ein wichtiges Instrument.
 
Natürlich blieben auch die Rahmenbedingungen dokumentarischer Arbeit in Frau Willes Vortrag nicht ausgespart - die ARD-Vorsitzende verwies in diesem Zusammenhang auf die kürzlich vereinbarten "Eckpunkte" für Auftragsproduktionen, zu deren Erläuterung auch Helfried Spitra, Leiter der Hauptabteilung "Zentrale Aufgaben" im WDR, mit zur AG DOK gekommen war. Für die ARD, die ja ein Verbund aus vielen selbständigen Landesrundfunkanstalten ist, seien diese Selbstverpflichtungen ein erheblicher Schritt nach vorne, und ihr persönliches Anliegen sei es, den Dialog mit den Produzenten auch künftig weiterzuführen.
 
Allerdings holte die anschließende Diskussion die visionäre Darstellung eines nur seinem Kernauftrag verpflichteten öffentlich-rechtlichen Rundfunks schnell auf die Ebene der Produktions- und Programmwirklichkeit zurück. Denn zumindest derzeit klaffen Anspruch und Realität noch stark auseinander. Moderiert von Dr. Thorolf Lipp trugen zunächst Thomas Frickel, Alice Agneskirchner und Jörg Langer vom Podium aus einige der Probleme vor, die aus Sicht der Filmemacher nach wie vor auf Lösung harren. Das betrifft materielle Fragen ebenso wie die immer strenger werdenden Vorgaben im Hinblick auf die kalkulatorisch anerkannten Produktionstage. Das betrifft aber auch grundsätzliche Fragen der Programmplanung, in der eine Fußballübertragung immer noch ein Vielfaches eines gesellschaftlich wichtigen Dokumentarfilms wert ist. Nach Ansicht der AG DOK bringen auch die neuen "Eckpunkte" für den Dokumentarfilm-Sektor noch keine substantielle Verbesserung und schon gar keinen "Kalkulationsrealismus", solange die Autoren und Regisseurinnen im Dokumentarfilmbereich so schlecht bezahlt werden, wie das seit Jahren üblich ist. Auch die Kosten der Projektentwicklung bleiben weiterhin am Produzenten hängen. Mehrfach wurde auch in der anschließenden Publikumsdiskussion darauf hingewiesen, dass die geforderte Qualität ihren Preis hat. Doch leider lasse die nach wie vor übliche Unterfinanzierung vieler Projekte die für eine qualitätsvolle Arbeit unerlässliche Sorgfalt gar nicht zu.     
 
Und doch öffnete das Gespräch eine neue Dimension für das seit dem Scheitern gemeinsamer Terms-of-Trade-Verhandlungen vor einigen Jahren leicht gespannte Verhältnis zwischen der ARD und dem größten Berufsverband der deutschen Filmlandschaft. Zumal man dann doch mit einem durchaus konkreten Ergebnis auseinanderging: Frau Wille bot an, in enger Zusammenarbeit mit der AG DOK im kommenden Herbst Deutschlands Dokumentarfilm-Szene und die entsprechenden Fachredaktionen der ARD in Leipzig zu einem großen gemeinsamen Dokumentarfilm-Workshop zusammenzuführen - ein Vorschlag, der von den Versammelten mit großem Interesse aufgenommen wurde.

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