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Pressemitteilung
Verbände kritisieren ARD-Eckpunkte 2.0
Pressemitteilung vom 30.03.2016
vom 30.03.2016
Gewogen - und für (noch) zu leicht befunden
Unabhängige Produzenten- und Urheberverbände bewerten das neue Eckpunktepapier der ARD kritisch
In vielen Punkten bewegt sich die ARD in die richtige Richtung, aber einiges greift immer noch zu kurz. Trotz einer Reihe unbestreitbarer Fortschritte – etwa bei der Anerkennung neuer Kalkulationspositionen oder mit der Einführung eines Belohnungsmodells für erfolgreiche Produktionen – schafft die neue, zwischen Produzentenallianz und ARD geschlossene Eckpunktevereinbarung für Fernsehauftragsproduktionen weiterhin keine wirklich „ausgewogenen Vertragsbedingungen“ und auch keine „faire Aufteilung der Verwertungsrechte“. Zu diesem Fazit kommen fünf Produzenten- und Urheberverbände nach eingehender Beschäftigung mit dem Ende Januar veröffentlichten Eckpunktepapier. Zudem ist die Vereinbarung an manchen Stellen so passgenau auf die Interessen der großen und etablierten Unternehmen der Produzentenallianz zugeschnitten, dass diese Passagen unmittelbar zum Nachteil zahlreicher kleinerer und junger unabhängiger Produzenten gereichen.
Erster Kritikpunkt ist die Laufzeit des Eckpunktepapiers, welche eine Reihe problematischer Regelungen gleich für weitere fünf Jahre festschreibt.
Diese unverhältnismäßig lange Laufzeit trifft vor allem den Dokumentarfilmbereich hart. Zwar werden künftig gemäß des Abschnitts Kalkulationsrealismus der Eckpunktevereinbarung auch in den Kalkulationen ausgesuchter dokumentarischer „Hochglanzproduktionen“ einige Kostenfaktoren akzeptiert, um die bisher im Einzelfall hartnäckig gefeilscht werden musste, doch für die überwiegende Zahl dokumentarischer Auftragsproduktionen ändert sich kaum etwas. Hinsichtlich des intensiven Rechercheaufwands, der Dokumentarfilmer seit Langem belastet, zementieren die Eckpunkte vielmehr den Status Quo. Während bei der Fiktion Recherche- und andere Vorbereitungskosten prinzipiell erstattungsfähig sind, gilt für Dokumentationen weiterhin der Satz: „Die Recherche zählt grundsätzlich zum unternehmerischen Risiko des Produzenten.“
Ferner erwähnt das Eckpunktepapier mit keinem Wort die unzeitgemäß niedrigen Buchhonorare und Regiegagen der Dokumentarfilmschaffenden, und auch die ständige Kürzung kalkulationsfähiger Dreh- und Schnitttage wird nicht thematisiert. Bei der Bezahlung der kreativen Mitarbeiter setzt die Vereinbarung sogar noch einen drauf, wenn es heißt: „Die Regelungen zu Mindestgagen gelten nicht für die Berufsbilder Kamera, Schnitt und Ton in dokumentarischen Produktionen.“ Der Grund für diese Geringschätzung bleibt unklar. Angesichts solcher Festschreibungen von „Kalkulationsrealismus“ zu sprechen, ist fast schon zynisch.
Besser sieht es diesbezüglich in den Bereichen Fiktion und Unterhaltung aus, sollen doch hier fortan in Budgetverhandlungen von der ARD endlich einige Teampositionen sowie übertarifliche Einzelgagen akzeptiert werden, die zwar schon über viele Jahre hinweg in den Produktionen gebraucht und bezahlt, bislang aber von der ARD in aller Regel nicht anerkannt wurden. Pikant an diesem positiven Gesinnungswandel ist allerdings, dass die ARD diese Produktionen in der Vergangenheit dennoch gegenüber ihren Aufsichtsgremien, der Politik und der Öffentlichkeit gebetsmühlenartig als vollfinanziert deklariert hat.
Als zweiter großer Erfolg des Eckpunktepapiers wird von ARD und Produzentenallianz der vermeintliche Einstieg in die Rechteteilung angeführt, obwohl es eine solche bei teilfinanzierten Produktionen natürlich auch in der Vergangenheit schon regelmäßig gegeben hat.
Wesentlicher Kritikpunkt an diesem Element der Vereinbarung: das Kernrecht einer jeden deutschen Fernsehproduktion, das inländische Senderecht, wird in dem dafür entwickelten, sogenannten „Schichtenmodell“ mit einer erheblich zu niedrigen Bewertung in Ansatz gebracht (ab 55% der Herstellungskosten), während die verschiedensten Nebenrechte vergleichsweise hoch angesetzt werden. Von einer realistischen und angemessenen fairen Aufteilung der Verwertungsrechte kann da nicht die Rede sein.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Vereinbarung keinerlei gesonderte und angemessene Vergütung der Mediathekenrechte vorsieht. Stattdessen wird die Mediathekennutzung – juristisch höchst fragwürdig – wie eine Verlängerung des Senderechts behandelt und von der ARD entschädigungslos einkassiert.
Dies schadet nicht nur den Wiederholungshonorar-berechtigten Urhebern, sondern verramscht auch das Tafelsilber der Produzentenschaft. Zwar könnten die Produzenten die kommerziellen deutschsprachigen Abrufrechte fallweise einbehalten, müssten dafür aber gemäß des Schichtenmodells bis zu 22% des Produktionsbudgets tragen, während die ARD auf die gleichzeitige Mediathekennutzung natürlich trotzdem nicht verzichten will. Ein riskantes Geschäftsmodell – jedenfalls für die Produktionsfirmen, die sich darauf einlassen. Denn wer kauft im Internet einen Film, der einen Mausklick weiter in einer öffentlich-rechtlichen Mediathek kostenlos abgerufen werden kann?
Hinzu kommt, dass die ARD grundsätzlich jegliches Geo-Blocking ablehnt (nur in Ausnahmefällen soll eine gegenteilige Regelung möglich sein) und damit gleich noch etwaige Auslandsrechte des Produzenten entwertet. Und auch die verheißene Erlösbeteiligung – auf Umsätze ab 1500 Euro pro Halbjahr beschränkt und im Dokumentarfilmbereich wegen des angeblich „weit höheren Aufwands zur Aufbereitung für den internationalen Markt“ zusätzlich noch mit einem erheblichen Abzug versehen – wird ihr Leben wohl überwiegend nur auf dem Papier entfalten.
Dritter Pfeiler des Eckpunktepapiers ist das so genannte „Leistungsmodell“, mit dem prämierte oder häufiger wiederholte ARD-Produktionen dadurch honoriert werden sollen, dass der Produzent einen überdurchschnittlich dotierten Entwicklungsauftrag erhält. Dieses Modell ist in einigen der dafür eingerichteten Kategorien, beispielsweise in der „kleinen Unterhaltung“, uneingeschränkt zu begrüßen, auch wenn nicht so recht nachvollziehbar ist, warum im System der Bewertungspunkte der renommierte Grimme-Preis deutlich weniger wert sein soll als der unter anderem von der ARD gestiftete “Deutsche Fernsehpreis“.
Sehr kritisch am Leistungsmodell ist hingegen, dass es in manchen Kategorien – und dies spielt ohne Zweifel der Produzentenallianz-Klientel in die Karten – für einen „closed shop“ sorgt, so zum Beispiel bei den Serien. Wer dort nicht jetzt schon an Bord ist und Serien für die ARD produziert, hat zukünftig noch weniger die Chance auf einen eigenen Entwicklungsauftrag, sind dann doch wahrscheinlich alle Entwicklungsverträge schon qua Leistungsmodell vergeben.
Zum „closed shop“ führt auch die Begrenzung der Teilnehmerzahlen bei Pitches auf maximal fünf Produktionsfirmen. Bezeichnenderweise war dies in dieser Form explizit ein Wunsch der Produzentenallianz. Gar nicht vorgesehen ist jedwede Transparenz des Pitch-Wettbewerbs nach außen oder eine zwingende Öffnung des Teilnehmerkreises für neue Produzenten, wie dies immerhin beispielhaft die Programmbeschaffungsordnung des WDR postuliert. Somit bleibt man hier unnötigerweise hinter schon bestehenden Standards zurück. Dass durch die Limitierung der Teilnehmerzahl zudem freiwilligen Angeboten Dritter für den ausgeschriebenen Programmplatz von vornherein ein Riegel vorgeschoben wird, spricht nicht für einen Wunsch nach Innovation und Vielfalt auf Seiten der ARD.
Eine grundsätzliche Neuerung des Eckpunktepapiers ist die Einrichtung einer Schiedsstelle zur nachträglichen Befassung mit Fragen, die zwischen Produzenten und Sender bei Umsetzung der Eckpunkte strittig sind - per se eine weitere sehr gute Idee. Auch gegen den zwischenzeitlich benannten Vorsitzenden der Schiedsstelle, Ulrich Lenze, gibt es nichts einzuwenden.
Dass aber in der Schiedsstelle produzentenseitig nur Vertreter der Produzentenallianz sitzen sollen, geht gar nicht, wenn doch die ARD beabsichtigt, das Eckpunktepapier für alle Produzenten zur Anwendung zu bringen. Würden etwa die Piloten einer Schlichtung mit der Lufthansa zustimmen, wenn dabei nicht ihre Vertretung Cockpit, sondern allein ver.di vertreten wäre? Unvorstellbar.
Darüber hinaus gibt es weitere, kleinere Aspekte in dem Eckpunktepapier, die zu bemängeln sind. Dazu zählen beispielsweise die in der Vereinbarung verbriefte Langsamkeit bei der Ausfertigung von Standardverträgen oder auch die vereinbarte automatische Übertragung von Wiederverfilmungs- und Weiterentwicklungsrechten an den Sender.
In allen vorgenannten Punkten bedarf es unbedingt noch weiterer Verbesserungen. Das darf aber nicht erst in fünf Jahren geschehen. Zudem darf dabei nicht wie bisher nur die Produzentenallianz mit am Verhandlungstisch sitzen, sondern alle relevanten Produzentenverbände müssen gleichberechtigt eingebunden werden. Anderenfalls kommt die gerade erst begonnene Bewegung der ARD wieder zum Stillstand und es bleibt bei Absprachen zu Lasten der kleineren Marktteilnehmer.
Leipzig / Frankfurt / Köln / München, den 30. März 2016
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