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Medienpolitik

vom 19.05.2015

Für Donnerstag, den 21. Mai hat der „Deutsche Kulturrat“ einen „Aktionstag gegen TTIP“ ausgerufen. Der Dachverband der deutschen Kulturinstitutionen, dem auch die AG DOK angehört, fürchtet bei einer Umsetzung des Freihandelsabkommens massive Nachteile für die europäische Kultur. Eine Aufweichung europäischer Urheberrechtsstandards, mögliche Angriffe auf die öffentliche Kulturförderung – aber auch das Ende der öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Finanzierung werden als mögliche Auswirkungen genannt: www.tag-gegen-ttip.de

Die AG DOK unterstützt die Aufklärungskampagne des Kulturrats, ohne dabei in Alarmismus zu verfallen. Zumal sie die Zukunft der Filmbranche derzeit durch andere aktuelle Vorhaben der EU mindestens ebenso massiv bedroht sieht. Dazu der folgende Kommentar des AG DOK-Vorsitzenden Thomas Frickel:   


TTIP und andere Katastrophen

Keine Sorge, sagen unsere Politiker: an der Kulturförderung haben die Amerikaner bei den Verhandlungen um das Freihandelsabkommen TTIP doch gar kein Interesse. Na, dann können wir uns jetzt ja beruhigt wieder hinlegen: Die Goethe-Premiere im Stadttheater ist erst mal nicht gefährdet, und die nächste Museumsnacht wird auch stattfinden.

Medienschaffende brauchen sich angeblich auch nicht aufzuregen, denn audiovisuelle Dienste sind im Rahmen der Verhandlungen tabu. Aha! Und was ist mit dem Bereich der  „Telekommunikation“, der heute beinahe alle Internet-Aktivitäten umfasst? Darüber wird  selbstverständlich verhandelt. Wo genau die Trennlinie zwischen „audiovisuellen Medien“ und  Telekommunikationsdienstleistungen verläuft, bleibt, wie so vieles im Zusammenhang mit TTIP, unklar. Und dass ausgerechnet der Bereich aus dem Freihandel ausgeklammert wird, in dem sich die kapitalkräftigsten Unternehmen auf unserem Globus schon heute dumm und dämlich verdienen, ist schwer vorstellbar. Angesichts der dramatisch zunehmenden Konvergenz stehen die Plattformen kurz davor, sich zum wichtigsten Player im audiovisuellen Bereich aufzuschwingen. Die Macht über die Bilder beherrscht die Köpfe, die Wirtschaft, die Welt. Wer redet da denn noch von Kultur?

Aber vielleicht haben es die amerikanischen Internetkonzerne ja auch gar nicht nötig, über ihre Interessen im Medienbereich verhandeln zu lassen - sie machen doch auch heute schon, was sie wollen: verramschen geistiges Eigentum zu flatrate-Preisen, zahlen keine Steuern und Abgaben, begünstigen auf Seiten wie „youtube“ Urheberrechtsverletzungen in Serie und ducken sich weg, wenn sie sich nach deutschem Recht dafür verantworten sollen. Doch damit nicht genug: ganz ohne TTIP und auf rein europäischer Ebene vollziehen sich in diesen Monaten entscheidende Weichenstellungen.

Mit der anstehenden Überarbeitung der EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste sollen beispielsweise die bestehenden Beschränkungen für Unterbrecherwerbung weiter aufgeweicht werden. Und im Zuge der so genannten „digitalen Agenda“ ist geplant, einen europaweit einheitlichen digitalen Binnenmarkt zu schaffen. Schon jetzt lässt sich erahnen, was das bedeutet: dann wird es keine gesonderten Lizenzen für Deutschland, Skandinavien, die Niederlande oder Österreich mehr geben – wer einmal kauft, soll in ganz Europa nutzen können. Doch wenn Lizenzen, die bislang für einzelne Länder getrennt vergeben wurden, künftig für ganz Europa gelten, werden die Erlösmöglichkeiten für Produzenten und Kreative drastisch fallen.

„Handelshemmnisse beseitigen“, heißt das im Brüsseler Bürokratensprech euphemistisch, oder "one stop shop". In Wahrheit ist es ein gigantischer kulturpolitischer Paradigmenwechsel, der die gewachsenen sprachlichen Grenzen innerhalb Europas ignoriert und massiv in die Geschäftsmodelle der Film- und Fernsehbranche eingreift. Etwas drastischer könnte man es auch so ausdrücken: die EU will der audiovisuellen Industrie, die sie mit ihren Media-Programmen mühsam aufgepeppelt hat, das Standbein weghauen.

Die Googles, iTunes, Amazons und Netflixe können´s zufrieden sein. Auch ohne die „Transatlantic Trade & Investment partnership“ wird ihnen der europäische Medienmarkt wie eine reife Frucht in den Schoß gelegt.

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