AG DOK - Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V.
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Martina Zöllner vom RBB zu Gast bei der AG DOK Berlin
vom 28.03.2018
Am 5. März 2018 hatten die Berliner und Brandenburger einen hochkarätigen Gast ins Haus der Poesie zur Diskussion eingeladen. Martina Zöllner hat seit Mitte letzten Jahres den neuen Programmbereich "Doku und Fiktion" im Rundfunk Berlin-Brandenburg übernommen. Zuvor war sie Redakteurin, später Film- und Kulturchefin beim SWR. Über hundert dokumentarisch Schaffende, Regisseure, Autoren, Rucksackproduzenten und Produzenten versammelten sich an diesem Abend. Sie wollten vor allem erfahren, wie es in Zukunft beim RBB weitergeht und wie eine Zusammenarbeit aussehen könnte.
Den Anstoß für dieses Treffen gab Thomas Frickel im August 2016 mit einem Brief an die damals frisch angetretene rbb-Intendantin Patricia Schlesinger. Er sprach darin an, dass es zwischen der AG DOK und dem rbb im Jahr 2000 eine damals vielbeachtete Kooperation gab. In blick.berlin.dok führte damals Roger Wilhelmsen durch ein Kaleidoskop dokumentarischer Hauptstadtimpressionen.
Pamela Meyer-Arndt moderierte den Abend, und die Idee war, neue Bande in Richtung RBB zu knüpfen und vielleicht ein Fenster beim RBB für formatfreies dokumentarisches Fernsehen zu akquirieren. Dazu präsentierten zehn Regisseure kurze Filmausschnitte, die alle im RBB Sendegebiet gedreht worden waren. Schnell wurde klar, dass Frau Zöllner unformatierten Dokumentarfilmen, die sich sogenannten „kleinen Themen des Alltags“ widmeten - die sie zwar zweifelsfrei poetisch und mit viel Liebe zu den Protagonisten erzählt fand - wenig Chancen auf Finanzierung durch den RBB einräumte. Vorstellen kann sie sich allenfalls, solche filmischen „Independents“ zu sammeln und ab und zu gebündelt auszustrahlen.
Eine gute Nachricht war, dass der RBB offen ist, was die Zusammenarbeit bei formatierten dokumentarischen Sendungen anbelangt, wie zum Beispiel „Geheimnisvolle Orte“, „die RBB Reporter“ und andere Reportagen und Dokumentationen. Hier können sich Dokumentarfilmer an die entsprechenden Redaktionen wenden.
"Große" Themen mit hoher politischer oder sozialer Relevanz und besonderem Zugang würden vom RBB sehr gerne als unformatierte Dokumentarfilme beauftragt oder koproduziert, auch mit Blick auf eine Kooperation mit Arte und dem Ersten. Als Beispiel für Filme dieses Zuschnitts nannte Martina Zöllner den Dokumentarfilm „Citizen Four“ über Edward Snowden oder auch „Democracy“ von David Bernet. Sie bedauerte, dass es zurzeit nur wenige solcher politischen Filme aus Deutschland gebe. Denn sie sei überzeugt, gesellschaftlich und politisch motivierten Filmen wie dem Dokumentarfilm als politischestes Filmgenre überhaupt komme in diesen Zeiten - hier nannte sie islamistischen Terror in Europa und das Erstarken des Rechtspopulismus - besondere Bedeutung zu.
Dem Genre Dokumentarfilm attestierte Martina Zöllner eine erstaunliche Entwicklung. Die Erzählweisen würden durch die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung visuell reicher - die Budgets allerdings auch höher. Sie werde sich dafür stark machen, dass es im linearen Programm des europäischen Kultursenders Arte mehr Raum für den großen künstlerischen Dokumentarfilm, das „Grand Format“ gebe, ebenso insbesondere für kulturelle dokumentarische Portraits. Hier nannte sie Filme wie „Gerhard Richter painting“ von Corinna Beltz oder „Beuys“ von Andres Veiel als Beispiele.
An Frau Zöllner wurde der Wunsch herangetragen, dass „die Schätze des RBB Filmarchivs“ für Filmemacher in einer einfach bedienbaren Mediathek zur Verfügung gestellt werden könnten. Hierzu wurden die neusten Entwicklungen aus der Schweiz genannt, wo dies der Fall sein soll. Frau Zöllner berichtete, dass die ARD-Mediathek derzeit grundlegend überarbeitet werde und es ein Ziel der ARD, online-Verweilzeiten von Filmen wo möglich zu verlängern. Sie stellte aber klar, dass freie Beistellungen von Archivmaterial schon deshalb kaum möglich seien, weil die Sender die Rechte an solchen Materialien nur bedingt selbst hielten.
Was die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und der potentiellen Programmverlagerung ins Internet anbelangt, ließ Frau Zöllner durchscheinen, dass diese Frage auch innerhalb des rbb stark diskutiert würde. Neue Verwertungsformen seien denkbarer geworden. Frau Zöllner überraschte damit, dass zum Beispiel Kooperationen mit Bezahlsendern und Plattformen wie Sky oder Netflix unter bestimmten Bedingungen durchaus in Frage kämen.