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TV-Broadcasting

ARD und ZDF präsentieren ihre Dokumentarfilm-Kompetenz

from 14.02.2014

... und meinen vor allem das Format-Fernsehen.

42 Konzepte zum Thema „Heimat“ wurden eingereicht, gewonnen hat den ARD-Doku-Pitch das Projekt "Golddorf - Kulturclash in der Almidylle" der Produzenten Thorsten Eppert und Adrian Stangl von Nordend Film aus Hamburg. Zusammen mit der Filmemacherin Carolin Genreith wollen sie in einem 90-minütigen Dokumentarfilm zeigen, wie Kulturen aufeinanderprallen, wenn in einem oberbayerischen Dorf Flüchtlinge untergebracht werden: "Wir freuen uns wahnsinnig über die Chance, dieses Herzblut-Thema umzusetzen und widmen uns mit der Dokumentation einem Mikrokosmos, in dem verschiedenste Gefühle aufeinanderprallen. Wir wollen beobachten, wie Menschen miteinander umgehen, die gezwungen sind, am selben Ort ihre Vorstellungen von 'Heimat' unter einen Hut zu bringen", sagte AG DOK-Mitglied Adrian Stangl zur Preisvergabe. Der Film soll im Herbst 2015 in der ARD-Themenwoche "Heimat" im Ersten auf einem Primetime-Sendeplatz gesendet werden.

Bekanntgegeben wurde der Sieger im Rahmen der Veranstaltung „Top of the Docs“ im Rahmen der Berlinale 2014. Hier feierte sich die ARD selbst, und nutzte Bühne und Moderatorin Sandra Maischberger, um ihr Engagement im dokumentarischen Genre zu präsentieren: „In diesem Genre ist die ARD die Nr. 1 im deutschen Fernsehen. So soll es bleiben. Denn Dokumentarfilme und Dokumentationen gehören zum Kern unseres öffentlich-rechtlichen Auftrags", versicherte der ARD-Vorsitzende und NDR-Intendant Lutz Marmor. Oder: "Es ist eben nichts spannender als die Wirklichkeit und deshalb gehören Dokumentationen zum festen Bestandteil des Ersten.“, so Volker Herres, ARD- Programmdirektor. Unterfüttert wurden diese Bekenntnisse durch einen Trailer, der durch dokumentarische Produktionen des vergangenen Jahres jagt und die künftigen anreißt.

Flankiert wird die Präsentation durch 100 Seiten Hochglanzbroschüre, zur Eigenwerbung. Darin finden sich Bekenntnisse von Programmverantwortlichen, Filmbeschreibungen und ein paar Statistikspielereien, aus denen man jedoch keine langfristigen Tendenzen ablesen kann: 9092 Sendestunden sind 2012 im Ersten und in den dritten Programmen der ARD-Sender an Reportagen und Dokumentationen gelaufen. Das macht, so die Rechnung der ARD, plakative 25 Stunden pro Tag. Die zugehörige Grafik will sagen: mehr geht nicht! und damit allen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die - wie die AG DOK - beständig die Verdrängung des Dokumentarischen aus den öffentlich-rechtlichen Programm beklagen. Leider scheut die ARD-Spitze einen Langzeit- wie auch Etatvergleich. Verbuchte die Sparte Reportage/Dokumentation/Bericht im Jahr 2004 noch einen Anteil von 12 Prozent im Ersten Programm, so waren es acht Jahre später nur noch neun Prozent. Während der Sport im Jahr 2010 einen Programmanteil von acht Prozent hatte, verbrauchte er mit ca. 450 Mio. Euro mehr als 27 Prozent des Etats der ARD. (Quelle: Heiko Hilker/dimbb)

Der Trailer bei „Top of the docs“ zeigt journalistische Dokumentationen, Reportagen, Dokudramen. Auch die Ergebnisse der Gewinner des letztjährigen Pitches wurden vorgestellt, sie bearbeiten anspruchsvolle Themen, fernsehgerecht aufbereitet: In „Betongold – Kaufrausch in Berlin“ von Holger Preuße und Andreas Wilcke (fernsehbüro GmbH) geht es um den Ausverkauf von städtischem Wohnraum, „Das gelobte Land – Deutschland provokant positiv!“ von Peter Scharf und Birgit Schulz (Bildersturm Filmproduktion GmbH) wagt einen ironischen Blick auf deutsche Identität. Der künstlerische Autorenfilm aber kommt bei „Top of the docs“ wie auch in der ARD nur vereinzelt vor – wenn überhaupt, dann als Kino-Koproduktion wie Marc Bauders „Master of the Universe“ (mit HR/SWR/ARTE) oder Inigo Westmeiers „Drachenmädchen“ (mit BR). Der überwiegende Rest besteht aus journalistischen Formen wie dem „Markencheck“ oder der „Story im Ersten“. Die wenigen, dafür aber umso stärker beworbenen Highlights sind sogenannte „Doku-Events“, wie die aufwändige internationale Ko-Produktion 14 – Tagebücher des Ersten Weltkrieges (Looks Film & TV-Produktionen, Budget: 6 Millionen Euro, 26 beteiligte TV-Sender) oder das zweiteilige Projekt Junges Deutschland . „14…“ erstellt anhand von 14 historischen ZeitzeugInnen eine „Mentalitäts-Geschichte“ des Ersten Weltkriegs, „Junges Deutschland“ schickt die Schauspieler Anna Maria Mühe und Kostja Ullmann auf Zeitreise durch die Jugendkulturen des 20. Jahrhunderts. Beide Projekte arbeiten mit Reenactments und stehen für den Trend zur inszenierten Realität. Ob George 2013 oder Rommel 2012, dokumentarische Stoffe laufen auch in der ARD nur in Form von Dokudramas zur Prime Time. Wer etwas anderes sehen will, muss später schlafen gehen.

Format-Experiment beim ZDF

ZDF: Die fernsehgerechte Aufbereitung von dokumentarischen Stoffen spielt eine wichtige Rolle, so auch bei den öffentlich-rechtlichen KollegInnen vom ZDF. Selbst das Kleine Fernsehspiel, bislang bekannt als eines der letzten Refugien der Autorenfilmer, geht neue Wege. Auch hier gab es eine Ausschreibung, die aber nicht offen war. Stattdessen wurden ausgewählte Produzenten zu einem „creative pitch“ zum Thema „Beziehung“ eingeladen. Gewonnen hat die megaherz GmbH mit ihrem Konzept House of Love , das dokumentarische Geschichten von Paaren in ihren eigenen vier Wänden bzw. Räumen erzählt: Wohn- und Schlafzimmer, Küche, Bad, in vier Teilen à 30 Minuten, aufgepeppt mit Animationsstrecken. Das Ergebnis wurde bei einem kleinen Empfang auf der Berlinale vorgestellt und kommt flott, komisch und mitunter auch tiefsinnig daher. Wirklich neu sind aber die Produktionsbedingungen: Die ausführende Produktionsfirma hat zwar nach dem Zuschlag in Absprache mit der Redaktion die Idee zum Format weiter entwickelt, und die Animationen erstellt, die vier Regisseure jedoch wurden vom ZDF bestimmt – auch hier wurden FilmemacherInnen ausgewählt, mit denen die Redaktion bereits „gute Erfahrungen“ gemacht hatte.

Redaktionsleiterin Claudia Tronnier versichert, dass das Kleine Fernsehspiel trotz dieses Experiments sich auch weiterhin in Einzelstücken und Ko-Produktionen engagieren wird und für Einreichungen von Autoren und Regisseuren offen ist. Die Redaktion will mit „House of Love“ ein dokumentarisches Format ausprobieren, um hausintern einen früheren Sendeplatz zu ergattern, aber auch, um den beteiligten RegisseurInnen den Schritt ins Hauptprogramm zu ermöglichen. Auf die Form der „geschlossenen Veranstaltung“ angesprochen, sagte Tronnier, dass auf die letzte Ausschreibung des Kleinen Fernsehspiels „body bits“ 360 Einreichungen eingegangen waren; eine Anzahl, die für das Redaktionsteam schlicht nicht zu bewältigen sei.

Wer die Präsentation der ZDF-KollegInnen Lucia Haslauer und Lucas Schmidt bei der dfi-Tagung „Reclaim Television! Stoffentwicklung für dokumentarische Formate“ verfolgt hat, kann sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass es nicht nur um die Etablierung von Formatfernsehen geht, sondern auch um eine gravierende Verschiebung in der Herstellungspraxis – die initiale Idee wie auch die künstlerische Umsetzung liegt nicht mehr in den Händen/im Kopf der Autoren, Regisseure und kreativen Produzenten, sondern wird maßgeblich von der Redaktion bestimmt – und kontrolliert.

Und die Auswirkungen auf die Dokumentarfilmlandschaft? Während bei der ersten ARD-Ausschreibung 60 Ideen eingereicht wurden, waren es 2013 noch 42. Vor einem Jahr wurden insgesamt drei Preise vergeben, diesmal nur einer. Sind das Zeichen dafür, dass die Kreativen glauben, mit ihren Ideen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern keinen Erfolg mehr zu haben? Ob daraus ein Trend abzulesen ist, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

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