AG DOK - Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V.
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Energie, Zuversicht, Tatendrang – und eine hervorragende Reputation
Kulturpolitiker würdigen die AG DOK – und ihren langjährigen Vorsitzenden Thomas Frickel
from 04.03.2020
(Hier gehts zur Aufzeichnung der Veranstaltung.)
Außergewöhnliche Ereignisse muss man außergewöhnlich feiern – und so lud die AG Dokumentarfilm am Rande der diesjährigen Berlinale zur „schicksten Party“ ihrer inzwischen 40-jährigen Vereinsgeschichte. Darauf verwies das am gleichen Tag neugewählte Führungs-Duo Susanne Binninger und David Bernet – und darauf verwies der gesamte Rahmen der von Daniel Sponsel spontan und gekonnt moderierten Veranstaltung in der Berliner Vertretung des Landes Baden-Württemberg.
Nicht nur die amtierende Staatsministerin für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters, sowie ihr Vorgänger, der heutige FFA-Präsident Prof. Bernd Neumann waren gekommen – auch die Präsidentin der Akademie der Künste, Prof. Jeanine Meerapfel, der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, SPIO-Präsident Dr. Thomas Negele, mehrere Bundestagsabgeordnete, Peter Dinges und Frank Völkert vom Vorstand der Filmförderungsanstalt FFA, Prof. Johannes Kreile, Medienboard-Chefin Kirsten Niehuus, Claas Danielsen als Vorstand der Mitteldeutschen Medienförderung und zahlreiche weitere Branchenangehörige füllten den Saal, um das Ausscheiden des langjährigen Vorsitzenden Thomas Frickel aus der aktiven Vorstandsarbeit und gleichzeitig das 40-jährige Bestehen des Dokumentarfilmverbands zu würdigen. Wie sehr Thomas Frickel über 34 Jahre hinweg das Bild des Verbands geprägt hat, stellten alle Ehrengäste in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen – es gebe, so sagte die ARD-Filmintendantin Prof. Karola Wille in einem auf Video eingespielten Grußwort, „kaum eine Person in unserer Branche, die so untrennbar mit einer Organisation verbunden ist“. Leidenschaft, Streitbarkeit und Unbeugsamkeit waren die Attribute, die Prof. Wille dem scheidenden Vorsitzenden zuwies.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte in ihrer Eingangsrede bereits von einer „unüberhörbaren Stimme der Dokumentarfilmkunst“ und vom „unermüdlichen, leidenschaftlichen und sachkundigen Engagement“ des AG DOK-Vorsitzenden gesprochen, der den Verband zu einer „wirkmächtigen Eminenz“ in der Filmpolitik entwickelt habe. Die AG DOK, die sich „von einer bescheidenen Arbeitsgemeinschaft im Dienste eines stiefmütterlich behandelten Filmgenres“ zum größten Berufsverband der unabhängigen Filmszene in Deutschland und zu einer „hochgeschätzten, von manchen durchaus auch gefürchteten Lobby des Dokumentarfilms“ entwickelt habe, genieße heute eine hervorragende Reputation und zeichne sich auch nach 40 Jahren noch durch Energie, Zuversicht, Selbstbewusstsein und Tatendrang aus. Dass Frickel in einem Portrait der „Süddeutschen Zeitung“ vor einigen Jahren einmal anerkennend als „größte Nervensäge des öffentlich-rechtlichen Systems“ bezeichnet wurde, habe er sich „hart erarbeitetet“ und er könne das durchaus als Kompliment verstehen, denn „es braucht eine gewisse Penetranz, um politisch etwas zu bewegen.“
Obgleich Prof. Wille in ihrem Beitrag darauf hinwies, „dass dokumentarische Produktionen von unschätzbarem gesellschaftlichen Wert sind“, so hat sich diese Erkenntnis leider noch nicht in allen Funkhäusern der Republik herumgesprochen. Und so appellierte denn Staatsministerin Grütters ein weiteres Mal an die Sender, dem Dokumentarfilm „mehr Raum zu besseren Sendezeiten“ zu gewähren. „Die Antworten auf die Fragen einer immer komplizierter werdenden Wirklichkeit dürfen nicht immer kürzer ausfallen“. Mit Dokumentarfilmen lasse sich „genau das Qualitätsversprechen einlösen, das an das Privileg der Rundfunkfinanzierung geknüpft ist“. Die AG DOK spiele dabei eine wichtige Rolle. Als „Anwältin der Wahrheit“ stehe sie für eine Wahrnehmung der Wirklichkeit mit Tiefenschärfe und für einen differenzierten Blick – damit sei sie ein Gegengewicht zu Zerrbildern, Vereinfachungen und populistischer schwarz-weiß-Malerei. Sie selbst habe sich von den Argumenten der AG DOK und ihres Vorsitzenden immer gerne überzeugen lassen – das zeige sich an der deutlichen Verbesserung der Dokumentarfilmförderung im Hause BKM.
In ähnlichem Sinne sprach auch Ex-Staatsminister Bernd Neumann. Dass die ARD ihrem eigenen Produzentenbericht zufolge nur 0,78 Prozent ihres Finanzvolumens in dokumentarische Auftragsproduktionen investiere, sei in keiner Weise akzeptabel, denn hier handele es sich um den Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der eigentlich im Zentrum öffentlich-rechtlicher Programme stehen müsste. „Denn es gibt keine bessere und eindrucksvollere Darstellung der Wirklichkeit.“ Thomas Frickel, den er in mehr als 20 Jahren nicht nur in den Gremien der FFA, sondern auch bei filmpolitischen Begegnungen nicht als Nervensäge, sondern als „sehr angenehmen Partner“ kennengelernt habe, bescheinigte der frühere Kulturstaatsminister, mit immer neuen Themen hilfreich und anregend gewirkt zu haben. „Das war zwar manchmal nicht bequem – aber es war immer belebend.“
Jeanine Meerapfel als Präsidentin der Akademie der Künste bescheinigte dem scheidenden AG DOK-Vorsitzenden „Empathie, Intelligenz und Kampfesmut“ bei seinem Eintreten für bessere Arbeitsbedingungen, für das Urheberrecht und für die Sichtbarkeit des Genres in der Öffentlichkeit. Ihre Rede war zugleich eine Liebeserklärung an den Dokumentarfilm – voller Sympathie für eine Filmkultur, die Authentizität, politisches Engagement, Neugier und Solidarität für andere verkörpert, die stets auf der Suche nach dem präzisen Bild, dem wahrhaftigen Ton und der genauen Sprache ist, die Gedicht, Anklage, Biografie, Literatur, Musik, Malerei und vieles mehr sein könne. Mit seiner klaren Haltung gegen Nationalismus und Rassismus sei das Genre eine wichtige Stütze der Zivilgesellschaft im Kampf gegen die Nazi-Kumpanei. Die AG DOK nannte sie „einen Verband, zu dem man unbedingt gehören möchte“ – und deshalb ist Jeanine Meerapfel, obzwar von Hause aus Spielfilmerin, seit Jahren auch Mitglied in der AG DOK.
Dem scheidenden Vorsitzenden oblag es selbst, mit einigen persönlich-versöhnlichen Bemerkungen die vier Jahrzehnte der Vereinsgeschichte Revue passieren zu lassen, und er begann mit dem Geständnis, dass das Verhältnis das neugegründeten Dokumentarfilmverbands zur CDU anfangs nachhaltig gestört war. Die achtziger Jahre – das war eine Zeit, in der sich Bundesinnenminister Zimmermann mit rigiden Mitteln in die Filmförderung einmischte. Es war die Zeit der Hausbesetzungen, der Ökologie-, der Friedens- und der Frauenbewegung, und viele Filmemacher und „Filmarbeiterinnen“, wie man damals sagte, verstanden sich nicht nur als Teil dieser Bewegungen – sondern auch als als Teil des Widerstands gegen das politische Establishment. „Ich hätte mir damals nicht vorstellen können, dass wir in der CDU einmal so verlässliche Unterstützer für unsere Belange finden würden wie in den Damen und Herren hier in der ersten Reihe,“ würdigte Frickel die gewaltigen Veränderungen „auf beiden Seiten“. Denn schließlich war es Bernd Neumann, der zusammen mit seinem SPD-Kollegen Thomas Krüger 1998 dafür sorgte, dass die AG DOK knapp 20 Jahre nach ihrer Gründung mit Sitz und Stimme in den Verwaltungsrat der Filmförderanstalt FFA einzog. Andere Erfolge erstritt sich der Verband selbst: die Mitwirkung in Verwertungsgesellschaften zum Beispiel. Oder Fördermittel zur Präsentation deutscher Dokumentarfilme auf internationalen Film-Messen. Und manchmal führte auch nur der Rechtsweg zum Erfolg – zum Beispiel, als die AG DOK die Berlinale mit einer einstweiligen Verfügung zwang, erstmals einen Dokumentarfilm-Stand auf dem europäischen Filmmarkt zuzulassen. Ein Jahr zuvor hatten die Dokumentarfilmer ihre Kataloge noch aus Bauchläden heraus auf der Messe verteilen müssen. Diese und einige andere Schlaglichter aus der Vereinsgeschichte verdeutlichten, dass der Dokumentarfilm um seine heutige Anerkennung in der Filmbranche hart ringen musste – doch das breite Spektrum der Ehrengäste bewies nach Ansicht des langjährigen Vorsitzenden auch, „dass in diesen Kämpfen trotz aller Meinungsverschiedenheiten keine dauerhaften Verletzungen geschlagen wurden.“ Sein Fazit nach 34 Jahren als Vorsitzender: „Wer in unserer Branche den Kopf zu weit aus dem Fenster streckt, muss damit rechnen, dass ihm jemand auf die Mütze haut. Davon darf man sich nicht einschüchtern lassen, wenn man etwas erreichen will – und das kann und will ich meinen Nachfolgern mit auf den Weg geben. Ein geradliniger, klarer Kurs zahlt sich nach meiner Erfahrung immer aus. Ich wünsche mir, dass die AG DOK diesen klaren Kurs beibehält, dass sie unbequem bleibt, dass sie auch weiterhin das sagt und schreibt, was gesagt werden muss.“
Auch Susanne Binninger und David Bernet dankten ihrem Vorgänger – diesmal unter Verweis auf dessen eigene Filmarbeit – und zwar mit einem Video, das unter dem Titel „Mein liebster Feind“ bei Branchenangehörigen Meinungen zur Person des langjährigen AG DOK-Vorsitzenden einfing und das in frechem, schnellem Zusammenschnitt für manche Pointe sorgte.
Acht Mitglieder, die von 1980 an dabei waren, wurden während der Feierstunde zu einer kleinen „Jubilarenehrung“ auf die Bühne gebeten und von Thomas Frickel mit einem Präsentpakt Rheingauer Wein bedacht – es waren dies Heide Breitel, Christoph Boekel, Thomas Giefer, Christoph Hübner, Hannes Karnick, Rainer Komers, Wolfgang Richter und Klaus Stanjek – die AG DOK ehrte sie unter anderem auch deshalb, „weil sie es in einem so streitbaren Verein 40 Jahre lang ausgehalten haben.“ Andere langjährige Mitglieder sind inzwischen verstorben – so die Mitbegründer Klaus Wildenhahn und Peter Krieg, aber auch später beigetretene namhafte Dokumentarist wie Erwin Leiser.
Die Rede von Staatsministerin Grütters im Wortlaut zum Nachlesen.
Und hier die Rede von Thomas Frickel sowie
die Rede von Jeanine Meerapfel.
MEDIENSPIEGEL:
Interview von epd-medien mit Thomas Frickel, erschienen am 21.02.2020
Interview von Blickpunkt Film mit Thomas Frickel vom 26.02.2020
Interview vom Deutschlandfunk mit Thomas Frickel vom 26.02.2020
Zum Abschied von Thomas Frickel ein Beitrag in der FAZ vom 01.03.2020
Ein Bericht in der TAZ über den AG DOK-Empfang vom 07.03.2020