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Die kulturelle Ausnahme ist nicht verhandelbar!
Pressemitteilung vom 14.01.2013
from 14.01.2013
Petition der europäischen Filmschaffenden
Der Europäische Regieverband FERA, dem auch die AG Dokumentarfilm angehört, wehrt sich mit Macht gegen die Absicht, auch kulturelle Leistungen in das neue Handelsabkommen zwischen den USA und der EU einzubeziehen und bittet darum, die unten wiedergegebene Petition der europäischen Filmschaffenden weiterzuleiten. Wir folgen diesem Aufruf gerne, denn die Öffnung des Abkommens für Film und audiovisuelle Medien hätte auch aus unserer Sicht fatale Folgen für die Eigenständigkeit des europäischen Film- und Medienschaffens.
Wir fordern deshalb alle Kolleginnen und Kollegen auf, die hier hinterlegte Petition zu unterzeichnen. Leider ist der Text dort nicht in allen Sprachen verfügbar, deshalb fügen wir hier eine deutsche Übersetzung an:
Die kulturelle Ausnahme ist nicht verhandelbar!
Der 13. März 2013 könnte ein bedeutender – und skandalöser – Wendepunkt im Aufbau Europas werden.
An diesem Tag hat die Europäische Kommission unter Leitung von Kommissar Karel de Grucht beschlossen, die kulturelle Ausnahme mit Füßen zu treten, indem ein Entwurf für ein Verhandlungsmandat gebilligt wurde, das audiovisuelle Medien- und Filmdienstleistungen in die Handelsgespräche mit den USA einschließt, die in diesem Sommer beginnen.
Vergessen sind die flammenden Reden von Präsident Barroso, der im Jahr 2005 versicherte, dass „auf der Werteskala Kultur vor Wirtschaft kommt“. Weggefegt sind auch alle Liebeserklärungen desselben Präsidenten Barroso an den Film, als sich die Filmemacher gezwungen sahen, in Aktion zu treten, um das MEDIA-Programm zu retten. Genauso ergeht es dem von der Kommission geförderten Motto „Europe loves cinema“.
Nur wenige Monate vor dem Ende seiner Amtszeit fragt man sich, welche Spuren Jose Manuel Barroso in der Geschichte Europas hinterlassen will. Derzeit sieht es leider nach kultureller Resignation aus. Er selbst scheint auch die Lehre vergessen zu haben, die er selbst vor Kurzem verbreitet hat: „Kultur ist eine Antwort auf die Krise“. Täuschen wir uns nicht, das vorgeschlagene Verhandlungsmandat ist eine Absage, eine Kapitulation, ein Bruch.
Vor 20 Jahren hatte sich in Europa der gemeinsame Wille gefestigt, Kreativität zu unterstützen und deren Vielfalt zu fördern. Kultur steht im Zentrum der europäischen Identität und der europäischen Ideale. Vor 20 Jahren setzte sich die "kulturelle Ausnahme" in der internationalen Szene durch und führte zur Anerkennung eines Sonderstatus für geistige Schöpfungen, die nicht irgendwelche Waren sind und deshalb von den Handelsgesprächen ausgenommen werden müssen. Der "kulturellen Ausnahme" war es zu verdanken, dass in den den GATS-Verhandlungen vor 20 Jahren Schutz- und Fördermaßnahmen für Kreativität und Sprachenvielfalt gesichert werden konnten.
Die Bilanz ist -objektiv betrachtet- positiv: kulturelle Vielfalt ist in den meisten unserer europäischen Regionen eine Realität, ein wichtiger Aspekt im Austausch und gegenseitigen Verständnis, sie schafft zudem Arbeitsplätze und Wachstum.
Das Europa, das wir lieben, hat sich dafür eingesetzt, dass 2005 das UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen ausgearbeitet wurde, das es dann auch mit 126 Ländern der Welt im Jahr 2006 feierlich ratifizierte. Das Europa, das wir lieben, wird auf der ganzen Welt bewundert, weil es diese großartige Initiative eingeleitet und gefördert hatte.
Durch die Annahme des Verhandlungsmandats, mit dem Kultur zur Handelsware reduziert wird, erteilt die Kommission (mit Ausnahme von drei Kommissaren, die dagegen gestimmt haben) der kulturellen Ausnahme eine Absage. Sie verleugnet sich und die von ihr eingegangenen Verpflichtungen und legt verwerfliche Unaufrichtigkeit an den Tag.
Wir lehnen dieses Europa ab, das sich inzwischen den wichtigen Grundsätzen der Vereinbarung entziehen will, insbesondere dem Grundsatz der Kulturhoheit der Länder. Mit Blick auf die Vereinigten Staaten, deren Unterhaltungsindustrie den zweitgrößten Ausfuhrposten ausmacht, bedeutet die Liberalisierung der audiovisuellen Medien- und Filmbranche eine geplante Zerstörung all dessen, was die europäische Kultur geschützt, gefördert und weiteregebracht hat. Eine solche Politik, gepaart mit erheblichen Steuerentgegenkommen für digitale US-Riesen, sieht verblüffend nach einem bewussten Willen aus, die europäische Kultur in die Knie zu zwingen.
Diejenigen, die im Namen Europas einen solchen Rückzug zulassen oder billigen, werden in den Augen der Geschichte immer schuldig bleiben. Kulturelle Vielfalt darf keine Handelsware sein, sie muss eine Ambition, eine Forderung und eine Verpflichtung bleiben.
Es ist nicht zu spät!
Wir werden dafür kämpfen, dass Europa weiterhin seine Geschichte mit seiner eigenen geistigen Schöpfung, mit seiner Kultur und Weltsicht schreibt, sodass alle europäischen Bürger tiefgreifende und vielseitige Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit finden.
Die Unterzeichner aus ganz Europa appellieren an die europäischen Staatsoberhäupter, sich für den Ausschluss des audiovisuellen Medien- und Filmdienstleistungssektors aus den Verhandlungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten Amerikas auszusprechen.