AG DOK - Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V.
Schweizer Straße 6
D-60594 Frankfurt am Main
Telefon: +49 69 623 700
Alternative Finanzierungs- und Verwertungsmodelle
Inhaltsverzeichnis
Stipendien
von Jörg Langer und Susanne Binninger
Recherche Anja Franke
Im Dokumentarfilm ist die Entwicklung eine entscheidende Phase. Hier finden je nach Anlage des Stoffes unterschiedlichste Recherchen statt (Milieu, Archiv, Expert*innen, Literatur etc.), werden Protagonist*innen gesucht und gecastet, der narrative und filmische Ansatz entwickelt und in eine schriftliche Drehvorlage (Exposé, Treatment, Drehbuch) überführt, die Grundlage für die anschließende Fianzierung ist. Zusätzlich werden oft Trailer und Teaser erstellt, manchmal auch Test-Drehs durchgeführt, Pitchings absolviert.
In Deutschland ist in der traditionellen Finanzierung durch Förderungen und TV-Sender kaum Geld für Entwicklung vorgesehen. Bis auf wenige Ausnahmen (wie die Stoffentwicklungsförderung für Dokumentarfilm des BKM) sind Produzent*innen und Autor*innen gezwungen die Entwicklung vorzufinanzieren.
Im Folgenden ist eine Auswahl von Stipendien aufgeführt, die Recherchen und Projektentwicklung von dokumentarischen Produktionen fördern.
Stipendien und Steuern
Immer wieder diskutiert wird die steuerliche Behandlung von Stipendien und Preisgeldern. Im Folgenden zitieren wir die Filmstiftung NRW, die neben Filmfördergeldern auch regelmäßig diverse Stipendien auslobt. Auch hier gilt: weder die Filmstiftung noch die AG DOK übernehmen die Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der hier aufgeführten Angaben. Für konkrete Hinweise und Hilfe im Einzelfall sollte der Rat eines Steuerberaters*einer Steuerberaterin eingeholt werden.
Einkommensteuerliche Behandlung: Die von der Filmstiftung vergebenen Gerd Ruge und Hörspiel Stipendien werden seit 01.01.2006 ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanziert. Ferner sind die Stipendiaten im Fördervertrag zu keiner bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet. Die Stipendien dürften demnach eine steuerfreie Einnahme darstellen.
Umsatzsteuerliche Behandlung: Da es an einem Leistungsaustausch fehlt, insbesondere handelt es sich auch nicht um ein umsatzsteuerliches Entgelt von dritter Seite, muss keine Umsatzsteuer gezahlt werden. Die Stipendien stellen kein Entgelt für eine Leistung des Empfängers/Stipendiaten an die Filmstiftung oder einen anderen Leistungsempfänger dar.
Preisgelder
Einkommensteuerliche Behandlung: Die einkommensteuerliche Behandlung von Preisgeldern ist zwei Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen zu entnehmen:
Schreiben vom 05.09.1996, IV B 1-S 2121-34/96, BStBl I, 1996, S. 1150 sowie Schreiben vom 23.12.2002, IV A 5-S 2121-8/021, BStBl I, 2003, S. 76
Preisgelder für künstlerische Leistungen unterliegen der Einkommensteuer, wenn sie in untrennbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes (§ 2) stehen. Dieser Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Preisverleihung wirtschaftlich den Charakter eines leistungsbezogenen Entgeltes hat. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Künstler zur Erzielung des Preises ein besonderes Werk geschaffen hat. Kein Zusammenhang mit einer Einkunftsart haben Preisgelder, die z.B. das Lebenswerk oder Gesamtschaffen des Empfängers würdigen.Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen
Umsatzsteuerliche Behandlung: Sofern Preisgelder nicht die Eigenschaft eines Entgeltes für eine bestimmte zu erbringende Leistung haben, liegt keine Umsatzsteuerbarkeit vor. Wird z.B. mit der Verleihung eines Preises das künstlerische Gesamtwerk gewürdigt, unterliegt dieses Preisgeld nicht der Umsatzsteuer.
Quelle: https://www.filmstiftung.de/foerderung/servicecenter/steuerliche-behandlung/
Stipendien (Auswahl)
Das Stipendium wird von den Kooperationspartnerorganisationen Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest, Werkleitz, der Landesmedienanstalt Sachsen-Anhalt und der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien vergeben. Das Stipendium wird jährlich als Preis für eine beim Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest eingereichte Arbeit verliehen und umfasst Unterhalts-, Reisekosten und Sachleistungen.
Artist in Residence / Medienboard Berlin-Brandenburg
Das „Artist-in-Residence“-Programm des Medienboard bietet ausgewählten Filmschaffenden am Beginn ihrer Laufbahn die Möglichkeit, internationale Erfahrungen zu sammeln und Kontakte in der Branche zu knüpfen - Filmschaffende aus Berlin-Brandenburg und der Partnerregion jeweils im Austausch (derzeit Guanajuato, Hongkong, Paris, Tel Aviv, Toronto). Die Stipendien bestehen aus Reisekosten, Unterkunft und Taschengeld.
EMAP (European Media Art Platform )/EMARE (European Media Artists in Residence Exchange) Stipendien für Medienkunst
Das Programm vergibt jedes Jahr Medienkunst-Stipendien als zweimonatige Residenzen mit wechselnden Projektpartner*innen in Europa. Bewerben können sich Künster*innen aus der EU, die in den Bereichen digitale Medien, Internet- und computerbasierte Kunstformen, medienbasierte Performance, Sound oder Video sowie Robotik oder Biokunst arbeiten.
Film/Video Künstlerinnenprogramm
Der Berliner Senat vergibt Arbeitsstipendien und Projektzuschüsse an Filmemacherinnen sowie Zuschüsse für Filmreihen/Veranstaltungen, die Arbeiten von Filmemacherinnen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Gefördert werden zeitlich begrenzte Arbeitsvorhaben z.B. für die Drehbucherstellung oder für Recherchen und Vorarbeiten zu geplanten Filmen. Zudem werden Stipendien zur Sicherung des Lebensunterhalts bei der Produktion, dem Vertrieb und der öffentlichen Präsentation eigener Filme, auch im Ausland vergeben. Der Bewerbungszeitraum ist jeweils im Herbst eines Jahres. Voraussetzung: Wohnsitz und Arbeitsmittelpunkt in Berlin. Es können sich ausschließlich Frauen bewerben. Die Ausschreibung wird meist im Oktober veröffentlicht.
Die Film- und Medienstiftung NRW rief 2002 das Gerd Ruge Stipendium unter Vorsitz von Journalist und Dokumentarfilmer Gerd Ruge ins Leben. Das Stipendium für die Entwicklung von qualitativ hochwertigen Kino-Dokumentarfilmen wird jährlich mit einer Gesamtsumme von bis zu 100.000 Euro ausgeschrieben, die in der Regel auf mehrere Projekte verteilt wird. Einreichung ist einmal pro Jahr, i.d.R. im Frühjahr.
Das Grenzgänger Stipendium, ausgeschrieben von der Robert-Bosch-Stiftung, fördert Autor*innen, Fotograf*innen, Filmemacher*innen. Unterstützt werden Recherchen für deutschsprachige Veröffentlichungen in Ländern Afrikas, Asiens und Europas. Abhängig vom Reiseland kann eine Rechercheförderung von bis zu 15.000 EUR beantragt werden.
Bewerbungsfrist: jährlich zwischen 1. März und 30. April sowie 1. September und 31. Oktober.
Der Verein Nipkow Programm e.V. vergibt scholarships für international Media Professionals in Berlin zur Projektentwicklung. Das Stipendium umfasst workshops, individuelle Beratung und Training, Residenz in Berlin bis zu 3 Monate und 1.500 EUR monatlich. Ausgeschrieben einmal pro Jahr, gegen Jahresende.
Dieses Stipendium der Film- und Medienstiftung NRW für die Entwicklung von Webvideos, wendet sich an talentierte Nachwuchsfilmemacher*innen und -Videokünstler*innen ab 16 Jahren mit Wohnsitz in NRW, die mindestens 1.000 Follower*innen oder Abonnent*innen auf einer Social Media Plattform haben. Vergeben werden Stipendien bis zu 8.000 EUR.
Das Projektentwicklungsstipendium der Film- und Medienstiftung NRW zur Förderung innovativer filmischer Erzählkunst, wendet sich an junge Filmemacher*innen, insbesondere in NRW. Gefördert werden dokumentarische und fiktionale Projekte mit einem inhaltlich wie formal innovativem filmischen Ansatz – also auch Dokumentarfilme mit einem ausgeprägten visuellen Konzept.
Stoffentwicklungsstipendium „HAUS AM SEE“
Das internationale Stoffentwicklungsstipendium „HAUS AM SEE“ beträgt 12.000 EUR und beinhaltet einen dreimonatigen Aufenthalt auf dem Gut Eibenhof in Bad Saarow. Bewerben können sich Filmemacher*innen mit fiktiven und dokumentarischen Filmprojekten in der Treatmentphase. Da das Stipendium international ausgerichtet ist, können sich gerne auch nicht-deutsche Autor*innen bewerben, die ein Projekt entwickeln, das im Bezug zu Berlin/Brandenburg steht. Oder aber Filmemacher*innen aus Berlin/Brandenburg, die an einem internationalen Filmprojekt arbeiten.
Der Villa Aurora & Thomas Mann House e.V. vergibt jährlich bis zu zwölf Stipendien an Künstler*innen in den Sparten Bildende Kunst, Komposition, Film, Literatur und Performance für einen dreimonatigen Aufenthalt in der Villa Aurora in Los Angeles. Das Stipendium umfasst Unterkunft, monatlich 1.800 EUR, plus Reisekosten und 700,00 EUR Projektkostenpauschale. Bewerbungsschluss ist i.d.R. Ende April.
Filmpreise
Eine gute Übersicht über Filmpreise, die zum Teil (aber nicht ausschließlich) für Nachwuchsfilmschaffende auch in Form von Stipendien ausgeschrieben werden, findet sich bei First Steps.
Journalist*innenpreise und -stipendien
Es gibt eine unübersehbare Anzahl von Recherche- und Reisestipendien für Journalist*innen. Häufig ist allerdings der Bewerber*innenkreis eingeschränkt (z.B. Nachwuchs, mit Altersgrenze) oder es sind Themengebiete vorgegeben wie zum Beispiel Menschenrechte, Wissenschaft oder Völkerverständigung, entsprechend der jeweiligen Stiftungssatzung bzw. entsprechend der Zielsetzung der ausschreibenden Organisation.
Der Verein fördert Aufklärung über internationale Zusammenhänge von Themen mit gesellschaftlicher Bedeutung und vergibt Recherchestipendien. Eventuell gibt es zur Zeit keine Förderung.
Das VOCER Innovation Medialab ist ein Stipendienprogramm für Nachwuchsjournalist*innen, die sich mit Innovationen im Medienbereich befassen. Seit Anfang 2013 lobt der verantwortliche Verein für Medien- und Journalismuskritik (VfMJ) regelmäßig Stipendien im Rahmen dieser Exzellenzinitiative aus.
The first independent non-profit organization, established in 1998, with the purpose of stimulating in-depth cross-border journalism in Europe. Diverse Funds und Grants, for example the European Cross-border Grants: „There will be four application rounds in 2019. 175,000 EUR will be distributed over the four application rounds."
Die Robert Bosch-Stiftung bietet Journalist*innenprogramme, die internationalen Austausch und Trainingsmaßnahmen fördern, z.B. den Austausch mit Indien durch das Programm Medienbotschafter Indien-Deutschland oder das internationale Programm Reporters in the Field.
Linksammlung
Die Webseite Journalistenpreise.de listet nicht nur Ausschreibungen von Preisen, sondern u.a. auch 115 Stipendien auf, z.B. das Deutsch-Polnische Recherchestipendium, das jährlich von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit (SdpZ) vergeben wird. Unterstützt werden hier Journalist*innen, deren Arbeiten zur Qualität der deutsch-polnischen Beziehungen sowie zur Öffnung von Deutschen und Polen gegenüber den neuen europäischen Herausforderungen beitragen.
Der Deutsche Medienverband (DMV) zählt Stipendien für angehende Journalist*innen auf: Journalist-werden/Stipendien
Reporter ohne Grenzen schreibt Stipendien für verfolgte Journalist*innen aus.
Das Netzwerk Recherche vergibt eigene Stipendien und listet andere Anbieter auf: Stipendien-Preise/Recherche-Stipendien.
Der Verein Internationale Journalisten-Programme e. V. (IJP) unterhält internationale Austauschprogramme für junge Journalist*innen, mit bis zu 120 Stipendien pro Jahr.
Newsroom.de/journalistenpreise/ führt neben einigen bekannten Journalist*innenpreisen wie dem Theodor-Wolff-Preis zahlreiche unbekanntere Journalist*innenpreise in einer umfangreichen Datenbank auf. Auch Preisgelder können oder sollen zur Entwicklung neuer Projekte verwendet werden.
Die Bundeszentrale für politische Bildung listet diverse Recherche- und Reisestipendien für (angehende) Journalist*innen auf, die Altersgrenze liegt meist bei 30 bis 35 Jahren (Liste von 2012)
Jungblut, der Blog der Jungen im BJV, zählt ebenfalls diverse Recherchestipendien für junge Journalist*innen auf (Liste von 2010)
Allgemeine Datenbanken
Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung hat auf Ihrer Website ausführliche Informationen für Akteur*innen in der Kreativwirtschaft gesammelt: Kultur-Kreativ-Wirtschaft. Hier gibt es u.a. Informationen und Tipps zu Finanzierung und Förderung sowie Links zu Förderdatenbanken.
Der Berliner Senat unterhält Förderprogramme der Kulturförderung Berlin, es gibt ein Berliner Beratungszentrum für Kulturförderung und Kreativwirtschaft und der Kulturförderpunkt Berlin bietet Beratung und Vernetzung, sowie einen „Förderfinder“.
Fazit
Autor*innen
Jörg Langer berät Produzenten und Filmemacher sowie Verbände und Organisationen, die im Film- und TV-Geschäft tätig sind. Mit seiner Firma LANGER MEDIA research & consulting erstellt er darüber hinaus spezifische Untersuchungen, Studien und Analysen. Jörg Langer kann auf über 20 Jahre Berufserfahrung als Produzent und Herstellungsleiter von über 60 dokumentarischen Produktionen zurückgreifen und ist außerdem als Lehrbeauftragter für die Fächer Medienökonomie, Fernsehgeschichte und Film- und Fernsehproduktion an der Beuth-Hochschule für Technik in Berlin tätig.
Susanne Binninger ist Autorin und Regisseurin von Dokumentarfilmen (u.a. REINE MÄNNERSACHE, FIGHTER). Zusammen mit Andreas Goldstein produziert sie in ihrer gemeinsamen Firma Oktoberfilm ausgewählte Filmprojekte, und lehrt Dokumentarfilm an Filmhochschulen (dffb, Filmuniversität Babelsberg, filmArche Berlin). Susanne Binninger ist seit 2017 zweite Vorsitzende der AG DOK (Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm) und setzt sich in ihrer Vorstandsarbeit vor allem für den unformatierten Dokumentarfilm ein.
Anja Franke hat Dokumentarfilm an der Filmarche in Berlin studiert. Sie arbeitet als freischaffende Filmemacherin und Medienpädagogin in Leipzig und Berlin und ist außerdem politische Bildungsreferentin an der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein.