AG DOK - Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V.
Schweizer Straße 6
D-60594 Frankfurt am Main
Telefon: +49 69 623 700
Alternative Finanzierungs- und Verwertungsmodelle
Inhaltsverzeichnis
Eigenvertrieb Home Entertainment und VoD: play loud!
von Dietmar Post
play loud! wurde 1997 in New York von den Filmemacher*innen Dietmar Post und Lucía Palacios als Produktionsfirma und Musik-Label gegründet. Seit 2002 sitzt die Firma in Berlin. Post und Palacios drehen und produzieren ihre Filme selbst und veröffentlichen sie auf ihrem eigenen Label: playloud.org
Wir haben auf unserer Webseite die Bereiche Archiv und Store; dort kann man physikalisch und digital Filme und Musik kaufen oder streamen. Das funktioniert gut, das meiste Geld bleibt bei uns und den eigenen Partnern. Ein Stream bei uns kostet ab 2 EUR brutto, 35 Cent davon gehen für PayPal ab. PayPal ist ein dubioser Konzern, aber im Moment noch unumgehbar. DVDs kosten bei uns zwischen 10 und 15 EUR; hier bleibt alles bei uns, abzüglich der Herstellungskosten.
Für die Erstellung eines eigenen Shops für physikalische Verkäufe wie auch für Streaming kann man bei den meisten Server-Anbietern Shopmodule kaufen (i.d.R. einmalig) und diese dann für sich anpassen. Das kostet natürlich Geld, das wir wieder einspielen müssen, aber auch bei Plattformen wie Vimeo wäre eine Jahresgebühr fällig. Unser Vorteil ist, dass wir auf unserer Seite nur unsere eigenen Medien anbieten; wir gehen nicht unter. Wenn wir durch Presse Aufmerksamkeit für uns generieren und dadurch Kunden auf unsere Seite gelangen, profitieren davon nur wir und unsere Partner.
Wir arbeiten auch mit Weltvertrieben. Der digitale Vertrieb unserer Musik wird von einem großen Aggregator weltweit für uns übernommen, bald auch im Filmbereich. Hier sind die Deals ca. 40 bis 60% für uns als Produzenten, ähnlich wie bei Musik. Wir bauen das Netz aus, weil man mit wachsendem Katalog Aufmerksamkeit bekommt. Als Beispiel unser US-Vertrieb Forced Exposure, der selbst ein schlauer Mailorder geworden ist; hier wird unser Film Franco´s Settlers für 21 USD angeboten, wir bekommen davon 10 USD. Wir versuchen immer vorab einen Festpreis zu verhandeln, anstatt der üblichen prozentualen Beteiligung von i.d.R. 35 bis 45% des Verkaufspreises. Wichtig ist, gute Versandkosten zu vereinbaren. Das kann nämlich teuer werden. Besser keine Versandkosten und dafür geringere Festpreise.
Wir wünschen uns an dieser Stelle eine Preisbindung für Filme wie im Buchbereich. Das würde kleine Hersteller und Vertriebe stärken, weil es ihnen Kontrolle über den Endpreis ermöglicht, und den Preiskampf unterbindet.
Bei der Finanzierung unserer Filme achten wir darauf die Rechte für die internationale VoD und DVD-Auswertung bei uns zu behalten. Das gilt auch für die nicht-kommerziellen Rechte, die wir im Bildungsbereich verwerten. Goethe-Institute, Schulen, Unis etc. zeigen und kaufen unsere Filme, wie auch die Landesmedienzentralen und die Bundeszentrale für politische Bildung. Die kleinen Veranstalter (Jugendzentren, etc.) und Bildungseinrichtungen zahlen zwischen 150 und 750 EUR, manchmal sogar mehr.
Wir machen mit allen grundsätzlich selber Deals, stellen alle Platten und DVDs selber her und bestimmen so die Preise ziemlich autonom, was einem bei Netflix, Spotify, iTunes oder auch Spiegel-TV verwehrt wird. Beispiel: Wir hatten für unseren Film Deutsche Pop Zustände 53.000 Aufrufe bei Spiegel-TV. Dafür gab es von Spiegel-TV insgesamt 420 EUR brutto. Jede Schulvorstellung bringt mehr und ist „nachhaltiger“ und ist vor allem werbefrei. Wir haben mit ca. 250 Streams auf der eigenen Homepage also mehr Geld verdient als mit 53.000 Zuschauern bei Spiegel-TV. Was ist also wirtschaftlicher? Laut FFA ist das Spiegel-TV. Laut Adam Riese wir mit unserem Tante-Emma Laden. Kunden, die für einen 10er im Monat ein Abo bei Spotify, Netflix oder Amazon haben, wissen gar nicht, dass dies die legalisierte Form des Raubs ist. Beim Produzenten kommt in diesem Modell weniger an als bei Spiegel-TV. Dokumentarfilme haben nie große Klickzahlen, deshalb funktioniert das Modell der Quantität nicht. Masse ist eben leider nicht Kasse.
Einmalige Streams (wie eine Videothek, wo man auch eine Leihgebühr bezahlt hat) und einmalige physikalische Aufführungen sind das einzige Gegengift gegen den Raub im Netz. Weniger ist mehr, weil nachhaltiger. Wir sind so wirtschaftlich, dass zwei Menschen langsam davon leben können.
Autor
Dietmar Post studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft und spanische Philologie in Berlin (Freie Universität) und Madrid (Complutense). Nach dem Magisterabschluss lebte und arbeitete er zwischen 1995 und 2003 in New York. Dort erstellte er an der New York University seinen ersten Kurzfilm Bowl of Oatmeal. Der zweite Kurzfilm Cloven Hoofed hatte seine Premiere auf dem Rotterdamer Filmfestival. Mit seiner Partnerin Lucía Palacios gründete er 1997 sowohl in New York als auch in NRW die Produktionsfirma Play Loud! Productions, die seit 2006 auch als DVD- und Plattenlabel fungiert. Kritiker*innen nennen Post und Palacios das deutsche Pendant zu den Direct Cinema-Regisseur*innen D. A. Pennebaker und Chris Hegedus.
2008 wurden Dietmar Post und Lucía Palacios mit dem renommierten Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet.