AG DOK - Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V.
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Inhaltsverzeichnis
Welche Marken passen zu Dokumentationen?
Der Bereich der Dokumentationen ist im Hinblick auf Markenintegrationen noch fast unberührt – und das nicht aufgrund der gesetzlichen Einschränkungen: „Die Marken sprühen nicht gerade vor Begeisterung, wenn man ihnen ein Placement in einer Dokumentation anbietet“, so eine Agentur aus den USA, die hauptsächlich Produkte in emotionalen fiktionalen Programmen platziert. Produzent*innen nennen als Grund, dass „es knifflig sei, für Dokumentationen eine redaktionelle Rechtfertigung zu finden, warum ein Produkt in einem bestimmten Umfeld platziert sein sollte. Aber da die Vorgaben nun etwas offener sind, kann man es in Angriff nehmen, solange sich das Placement organisch ins thematische Umfeld einfügt“, so eine britische Produzentin. Die BBC hat den internationalen Channel „BBC World News“ für Product Placement geöffnet (The Guardian 16.4.15). Placement ist bei BBC World News in Technologie-, Sport- und Reisedokumentationen möglich. Jede geplante Zusammenarbeit mit einem Sponsor wird jedoch einzeln daraufhin geprüft, ob sie redaktionell gerechtfertigt und mit dem Ofcom Broadcasting Code vereinbar ist.
Product Placements in Dokumentationen müssen wie im fiktionalen Bereich genau abgestimmt sein, filmischer Inhalt und Marke müssen zueinander passen. Besonders interessant sind Marken des täglichen Lebens. Dazu gehören die FMCG (Fast Moving Consumer Goods) wie Getränke, Nahrungsmittel und Kosmetik, die man integrieren kann, wenn z.B. der*die Interviewpartner*in einen Kaffee trinkt, der*die Reisedokumentarfilmer*in seinen Vorrat an Wasserflaschen aufstockt oder der*die Bergsteiger*in einen Müsliriegel isst. Da Dokumentationen eine längere Auswertungskette haben, d.h. oft über mehrere Jahre immer wieder ausgestrahlt werden, haben traditionelle Marken (wie z.B. Pepsi, Milka, Shell), mit immer gleichem Markenauftritt einen Vorteil. Häufig werden Dokumentationen global ausgewertet, dann erzielen international tätige Marken (wie z.B. BMW, Apple und Starbucks), die in vielen Ländern mit dem gleichen Logo auftreten, höhere Werbeeffekte.
Für themenzentrierte Dokumentationen eignen sich Marken aus dem Themenumfeld, die die Zielgruppe ansprechen möchten, besser als einzelne Marken, denen man „Einfluss auf eine einseitige Berichterstattung“ unterstellen könnte. Bei einer Test-Doku über vegetarische Lebensmittel scheint Placement für eine Lebensmittelkette, bei der mehrere pflanzliche Produkte erhältlich sind, geeigneter als die Integration des Herstellers einer Wurst-Ersatz-Sorte. Bei einer Ski Alpin-Doku wäre es unglaubwürdig, wenn alle Skifahrer*innen auf der Piste Ski einer Marke benutzten, aber ein Winter-Reiseveranstaltungsunternehmen wäre gut platziert.
Marken mit „Social Impact“ bzw. einer „Botschaft“ eignen sich für Themen, die zu ihrer (Social Media-) Botschaft passen. Coca-Cola ist eng mit Jugendlichen und Musik verhaftet und könnte für Dokus über junge Musiker*innen geeignet sein. Der BMW i3 fährt mit Elektroenergie und könnte in der Doku über erneuerbare Energien platziert werden. Der italienische Kaffeehersteller „Illy Cafe“ hat die Reportage A small Section of the World über Frauen auf Kaffeeplantagen sogar selbst in Auftrag gegeben. Das stärkt die Glaubwürdigkeit einer Marke, ist aber eher selten.
Besonders interessant kann ein Product Placement für technische Marken mit einer männlichen Zielgruppe sein, da diese fiktional kaum zu erreichen ist (z.B. Rasierer, Motorräder, Mobiltelefone, Sägen, Rasenmäher, Kameras und Outdoor-Equipment). Im Trailer des „Social Impact“-Kinofilmes des Red Bull Media House The Art of Flight über Snowboarder*innen an Orten, die vorher nie befahren wurden, sieht man das Placement einer Canon Kamera. In der Discovery-Serie Siberian Cut – Holzfäller am Limit wurde ein Handy ausgestattet, über das einer der Holzfäller mit seinem Vater telefoniert.
Ein wichtiger Produktbereich zur Unterstützung von Produktionen sind Fahrzeuge. Auch Dokumentarfilmer*innen benötigen zum Dreh Spiel-Fahrzeuge (die im fertigen Film gezeigt) und Set-Fahrzeuge (die dem Team für die Dreharbeiten hinter der Kulisse zur Verfügung gestellt werden). Dies ist ein hoher Kostenfaktor, der durch Ausstattungs-Placement verringert werden kann. Wichtig ist dabei, dass die Doku nicht zur „Materialschlacht“ wird. Für die mehrwöchige Reise über Land nach China wird es eventuell schwierig Fahrzeuge zu erhalten, weil der geforderte Fahrzeug-Einsatz zu hoch ist. Anders bei der ntv-Dokumentation „Luxusmobil auf vier Rädern“ – hier wurden die Wohnmobile der Hersteller Mobil und Dethleffs gezeigt.
Ausstattungsplacements sind außer bei Fahrzeugen auch mit Handyherstellern, Computerfirmen, Outdoor-, Heimwerker*innen- und Bekleidungsunternehmen möglich. Oft wird dann später von der Marke zusätzlich zur Ausstattung noch eine PR- oder Marketingkampagne durchgeführt.
I.d.R. ist es sinnvoll für Ausstattungen (wie Mobiltelefone, Bekleidung, etc.) direkt mit den Presseabteilungen der Unternehmen in Kontakt zu treten. Die großen deutschen Automarken unterhalten Fuhrparks um Produktionen zu unterstützen, sofern deren Filmprojekte zur Marke passen, was wiederum deren Agenturen bewerten. BMW und Mini werden durch St. Elmos, Mercedes und Smart durch Locavi, VW und Audi durch ProSale vertreten.
Placement-Sonderformen
Unternehmen stellen eigenes aktuelles oder auch historisches Filmmaterial kostenfrei zur Verfügung und werden im Gegenzug in Reportagen, Dokumentationen oder Magazinen erwähnt bzw. benannt. Vor allem in den USA ist das eine gängige Praxis.
Location Placement: Mehrere Regionen weltweit fördern Drehs und bieten Filmemacher*innen Unterstützung an, wie zum Beispiel Tirol in Österreich (CineTirol hat u.a. den James Bond „Spectre“ am Söldener Gletscher unterstützt), aber auch Länder wie Neuseeland und Südafrika.
Digitales Placement: Hier werden nachträglich in der Postproduktion Produkte oder Plakate in der Sendung platziert. Dies ist durch entscheidende technische Neuerungen von Mirriad in den USA und Fayteq (mittlerweile von Facebook aufgekauft) in Deutschland einfacher geworden. So hat Sky UK das Factual Entertainment-Programm A Different Breed über Hunde und deren Besitzer ausgestrahlt. Im Programm wurden nachträglich Poster für Pedigree Dentastics, einer Zahnpflege für Hunde, digital platziert.