AG DOK - Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V.
Schweizer Straße 6
D-60594 Frankfurt am Main
Telefon: +49 69 623 700
Alternative Finanzierungs- und Verwertungsmodelle
Inhaltsverzeichnis
Was ist bei der Platzierung für welche*n Auftraggeber*in rechtlich zu beachten?
Sofern die gesetzlichen Grundlagen und die Verträge mit den Sendern Produktplatzierung überhaupt zulassen (siehe Richtlinien), müssen die Verantwortlichen im Sender in jedem Falle frühzeitig informiert werden.
Dokus für öffentlich-rechtliche (ÖR-)TV-Sender bzw. ÖR-Koproduktionen
Es wird unterschieden zwischen Eigen- und Auftragsproduktionen, Koproduktionen und Fremdproduktionen. Bezahlte Product Placements sind in Eigen- und Auftragsproduktionen des öffentlich-rechtlichen TV in Deutschland nicht erlaubt. Bei Fremdproduktionen, die zugekauft werden, dürfen sie integriert sein. Koproduktionen gelten als Fremdproduktionen, wenn der*die ÖR-Koproduzent*in nur einen untergeordneten Teil der finanziellen Mittel bereitstellt und daher im Regelfall kein entscheidendes Mitspracherecht bei der Gestaltung hat. Auch bei Ankäufen von Fremdproduktionen ist mit einer entsprechenden Kennzeichnung („P“ zu Beginn und zum Ende der Sendung und ggf. im Abspann[1]) auf ein Product Placement hinzuweisen.
Produktbeistellungen von minderem Wert, deren Wert 1% der Produktionskosten und EUR 1.000,- unterschreiten, sind auch bei Eigen- und Auftragsproduktionen der Sender rechtlich machbar. Die internen Auflagen der Sendehäuser sind jedoch oft noch strikter als der Rundfunkstaatsvertrag selbst; sie verbieten es generell, überhaupt Produkte und Marken zu zeigen. Es ist jedoch rechtlich möglich Ausstattungen, wie Fahrzeuge und Hotels etc., zuzulassen. Im fiktionalen Bereich kennen wir hier zum Beispiel die rechtlich erlaubten Fahrzeugbeistellungen von BMW und Mercedes im ARD-Tatort und die des Kreuzfahrtschiffes MS Deutschland als ARD-Traumschiff. Bewertungsgrundlage ist hier übrigens nicht der Wert des Produktes, sondern der Wert der Miete des Produktes.
Produzent*innen sollten die Rechtslage kennen, um im Falle einer begründbaren Produktionshilfe mit den Auftraggeber*innen in den ö-r Sendern verhandeln zu können.
Dokumentationen für private TV-Sender
Hier ist bezahltes Product Placement möglich (siehe 2.1.1.). Fiktionales Programm wird den Werbetreibenden in der Regel von speziellen Sendervermarkter*innen (wie z.B. SevenOneAdfactory für die ProSieben SAT.1-Gruppe und IP Deutschland für die RTL-Gruppe) angeboten. Bei Realisierung eines Placements erhalten die Produzent*innen dann einen Anteil an den Einnahmen, die vom*von der Sendervermarkter*in erzielt werden. Der Anteil richtet sich nach den von der Produzentenallianz verhandelten Vorgaben (z.B. bei ProSieben SAT.1) oder nach eigenen Sendervorgaben (z.B. RTL). Die Produzentenallianz hat zur Thematik Product Placement mit den Rundfunkveranstaltern im Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) und den Vertreter*innen der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) 2012 einen Verhaltenskodex für Product Placement herausgegeben. Vertraglich kann umgekehrt auch festgelegt sein, dass Produzent*innen selbst Product Placement in ihren Formaten anbieten können. Hier ist generell auf die Vertragsgestaltung zu achten, denn Einnahmen aus Product Placement und Beistellung sollten nicht auf die Finanzierung eines Formates durch einen Sender angerechnet werden. Sonst haben Produzent*innen nur mehr Arbeit, erzielen aber keine höheren Produktionsbudgets oder zusätzliche Einnahmen.
Generell werden von privaten Sendern weniger Dokumentationen in Auftrag gegeben als von ö-r Sendern. Die neuen privaten Dokumentationssender wie z.B. Kabel1 Doku werden derzeit noch ausschließlich mit Lizenzware bestückt. Das kann sich mittelfristig ändern, wenn die Sender vernünftige Quoten erzielen. Da Dokus selten zur Prime Time und oftmals nicht auf den reichweitenstärksten Plätzen laufen, sind sie meist „nicht auf dem Radar der Sender-Vermarkter*innen“. Das kann Chance und Anreiz für die Produzent*innen sein, selbst Placement-Partner*innen zu gewinnen.
Die „hemdsärmelige, aber praktikable Vorgehensweise“ ist oft folgende: Eine Marke unterstützt die Dreharbeiten für eine Dokumentation mit Product Placement. Parallel dazu werden meist - mit kleineren - privaten TV-Sendern die Dokuinhalte abgesprochen, sodass nach Fertigstellung der Doku eine hohe Wahrscheinlichkeit der Ausstrahlung besteht[b1].
Hier sind noch zwei Sonderformen von dokumentarischen Formaten zu betrachten:
Dokutainment-Serien wie „Goodbye Deutschland“ auf Vox, „Daniela Katzenberger - mit Lukas im Babyglück“ und „Zu Hause im Glück - unser Einzug in ein neues Leben“ auf RTL II haben es sehr wohl in die Sender-Vermarktung geschafft. Hier auch ein Beispiel aus den USA: die Discovery-Serie „BBQ Pitmasters“ stellt Kingsford Grills sehr viel stärker in den Vordergrund, als es in Deutschland üblich ist.
Reportagen und Magazinbeiträge für „Galileo“ auf Pro Sieben, „Welt der Wunder“ auf n24 und „Abenteuer Leben“ auf Kabel 1 sind interessant, sofern die Redaktionen hier ein Placement zulassen. Wenn es sich um Formate der leichten Unterhaltung und nicht um Nachrichtenmagazine handelt, ist hier, rein rechtlich gesehen, Placement möglich. So wurde zum Beispiel bei Sport 1 eine DHL Packstation in „Turbo – Das Automagazin“ platziert, an die man den Autoschlüssel für eine Testfahrt an den Moderator gesendet hatte.
Dokumentationen für das Kino
Product Placement in Kinofilmen ist erlaubt. Dies beruht auf einem BGH-Urteil von 1995 zum Kinofilm „Fire, Ice and Dynamite“ von Willi Bogner, der in seinem Ski-Film zahlreiche Produkte platziert hatte. Entscheidend für ein Engagement von Marken in Kinofilmen sind oft die begleitenden Sponsoring- und Cross Promotion-Möglichkeiten, wie Premierenfeiern und Werbung mit Bildern aus dem Film, die Markenpartner*innen wahrnehmen dürfen.
Die meisten größeren Kinofilme in Deutschland erhalten Gelder aus den Filmförderfonds des Bundes und der Länder. Hier ist zu beachten, dass die Filmförderung auch ein Mitspracherecht bei Placements haben kann und, dass Einnahmen aus Placement gegenüber der Filmförderung offenzulegen sind. Placement kann, z.B. laut FFF Bayern, ein Bestandteil der Kinofinanzierung sein, was jedoch eher selten vorkommt. Wenn Placement als Finanzierungsbestand (also Geld) vorliegt, muss es offengelegt werden. Sind es Beistellungen, wie „alle Autos kommen von Audi“, dann wird das nicht unbedingt in die Kalkulation aufgenommen, sondern reduziert insgesamt die Herstellungskosten.
Dokumentationen für das Internet sowie für Netflix, Vice, Amazon Prime & Co.
Alle Veröffentlichungen im Web regelt in Deutschland das Telemediengesetz, das in §3 bei Content im Web auf die Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der öffentlichen Gesundheit und den Interessen der Verbraucher*innen verweist und in §6 bei kommerzieller Kommunikation eine*n klar ersichtliche*n Absender*in fordert.
Für rundfunkähnliche Medien im Internet gilt zudem der Rundfunkstaatsvertrag mit den vorab genannten Parametern. Hier ist zu prüfen, wie die Website, auf der eine Dokumentation läuft, einzustufen ist. Die Mediatheken der TV-Sender sind „rundfunkähnlich“, für Netflix und Vice gilt dasselbe. In 2017 wird Viceland als TV-Channel im Netz für die Zielgruppe der 18- bis 34-Jährigen in Deutschland starten; hier könnten sich neue Möglichkeiten für Firmenpartnerschaften eröffnen.
Für die Zusammenarbeit von YouTuber*innen mit Firmen haben die Landesmedienanstalten einen Leitfaden (FAQ‘s) mit Antworten zu Werbefragen in sozialen Medien herausgegeben. YouTuberin Joyce Ilg hat zum Beispiel eine Dokumentation ihrer Reise mit der Fährlinie Tallink Silja veröffentlicht und mit „unterstützt durch Produktplatzierung“ gekennzeichnet.
Dokumentationen, die im Auftrag von Firmen produziert werden
Dazu zählen die meist ausführlichen Image- und Industriefilme, die von Unternehmen in Auftrag gegeben werden. In der Regel wird das Konzept hierzu im Detail mit den Unternehmen abgesprochen. Branded Content[2] in Bewegtbild und Text wird im Auftrag von Marken erstellt und nimmt derzeit exponentiell zu. Branded Content kann fiktional als auch dokumentarisch sein, oft sind Social Media-Kanäle Ausspielungsplattform. Ein Beispiel: eine Dokumentation als „Employer Branding“[3] für einen mittelständischen Unternehmer. Dessen Azubis posten ihre individuellen Eindrücke auf Snapchat, die Dokumentation dieser Aktion nutzt das Unternehmen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.
Immer häufiger wird Content im Firmenauftrag erstellt, in dem primär die Story und nicht die Firma im Vordergrund steht. Solcher Content muss laut Telemediengesetz §3 im Netz trotzdem vom*von der Absender*in gekennzeichnet werden. Eine gute Variante hierfür ist die Angabe des Firmennamens im Link des Videos. Dieser Content kann selbstverständlich auch TV-Sendern zur Ausstrahlung angeboten werden. In der Regel erhält der Sender diesen Content kostenfrei und darf ihn als Footage weiter bearbeiten.
Beispiele für dokumentarischen Branded Content:
Die Red Bull Stratos Mission mit dem spektakulären Base Jump von Felix Baumgartner aus der Stratosphäre wurde weltweit übertragen. Im Oktober 2012 sahen sich das 8 Millionen Menschen im Netz an. Die Surfer-Dokumentation The Endless Winter für die Automarke Ford schaffte in Großbritannien den Sprung von Branded Content ins britische Fernsehen auf Channel 4. Die Musik-Doku Mini Moments wurde in Kooperation mit Sony zum Launch neuer Automodelle von Mini (BMW Group) erstellt. Die Dokumentation für Panerai Watches The Watch and the War zeigt, dass es sogar möglich ist, historische Themen aufzugreifen.
Content im Auftrag des Kunden*der Kundin kann auch für einen Kongress, einen Verband oder für eine Preisverleihung erstellt werden. Ein Beispiel dafür sind die Dokumentationen des Europäischen Patentamtes zum „European Inventor Award“. Hier wurden 15 Kurzfilme über die Nominierten in fünf Sprachen produziert, die jeweils eine*n Wissenschaftler*in und seine*ihre Erfindung porträtieren. Die Filme wurden international teilweise unverändert, teilweise bearbeitet u.a. in „FutureMag“ (Arte), „newton“ (ORF), „Matière Grise“ (RTBF Belgien) und „Curiosity Stream“ (Science & Vie TV Frankreich) ausgestrahlt; als Beispiel das Portrait des Award-Gewinners bei YouTube.
[1] Ziffer 9.4 der ARD- und der ZDF-Richtlinien; Ziffer 4 Abs. 3 WerbeRL/Fernsehen
[2] http://www.itwissen.info/definition/lexikon/Branded-Content-branded-content.html
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Employer_Branding
[b1]wie ist die doku denn dann finanziert? Verstehe das so, dass kein sender involviert ist, erstmal, oder? Das ist richtig. Der Kunde finanziert die Doku i.d.R. evt. auch der Produzent, wenn er unbedingt ein Thema machen will. Aber in der Regel geschieht das im Kundenauftrag. Ich muß hier dringend nochmals klären, ob man das so schreiben darf. Ich weiß, dass wir hier eigentlich an der Grenze zum Themenplacement und der zu starken Beeinflussung sind. Es ist aber tatsächlich der Weg, den Marken gehen, um Dokus zu erhalten.